Psygnosis
Liverpool scheint schon immer ein ideales Ausgangsplätzchen für Künstler gewesen zu sein, denn es ist nicht anders zu erklären, dass nicht nur die Beatles, sondern auch eine der größten Grafikkünstler-Unternehmen aus diesem Ort stammen: Psygnosis. Gegründet wurde das Unternehmen jedoch unter dem Namen (und wieder eine Gemeinsamkeit mit dem Beatles, zu mindestens mit John Lennon) Imagine im Jahre 1984. Das junge Unternehmen arbeitete an dem viel versprechenden Projekt, namens Bandersnatch. Dies lag nicht nur an dem Spiel an sich, sondern auch daran, dass es das erste Spiel war, das den damaligen Durchschnittspreis (ca. 12 £) für Spiele fast um 300 % anhob (knapp 30 £). Ebenso war es ungewöhnlich, dass das Spiel nur mit einem Dongle lief, das an einen Port des Computers angeschlossen werden musste. Nicht nur, dass dies ein perfekter Kopierschutz war, dieser beinhaltete ein zusätzliches ROM für weitere Daten. Ebenso sollte das Spiel nicht in einer gewöhnlichen Verpackung geliefert werden, sondern in einer DIN A4 großen Schachtel. Diese beinhaltete über 30 verschiedene Goodies, die das Spielerlebnis intensivieren sollten. Neben dem Programmieren arbeiteten zehn professionelle Künstler allein an der Grafik.
Das Spiel wurde nie veröffentlicht und nach 18 Monaten schloss das junge Unternehmen, am 18. Juli 1984, seine Pforten (sogar der britische Fernsehsender BBC veröffentlichte darüber eine Reportage im Fernsehen). Ian Hetherington, der ehemalige Firmenleiter, glaubte allerdings weiter an das neue Medium und seine vielfältigen Möglichkeiten. Kurze Zeit später eröffnete er Psygnosis und zahlreiche ehemalige Teammitglieder, unter anderem David Lawson, John Gibson und Jake Glover, standen schon bald wieder unter Vertrag. Das erste Spiel, dass das neue Unternehmen nun veröffentlichte war Brataccas. Dabei war das Spiel nur ein umgelabeltes Bandersnatch für die neuen Computer Amiga und Atari ST, obwohl das Spiel zu Beginn ausschließlich für den Sinclair QL programmiert wurde. Das Spiel konnte jedoch die hohen Erwartungen nicht erfüllen, aber es zeigte dem neuen Unternehmen den richtigen Weg. Zusätzlich gründete das Unternehmen noch den Ableger Psyclapse, der eher die B Titel veröffentlichte (die einfachen Spiele kamen demnach unter diesen Label auf dem Markt, während die komplexeren unter dem Label Psygnosis veröffentlicht wurden).
Im gesamten Jahr 1986 veröffentlichte Psygnosis nur einen Titel, genannt Deep Space. Deep Space war ein komplexes Spiel, in dem man den Weltraum erforschen musste. Weitaus interessanter als das Spiel war jedoch die Verpackung, die mit Fantasy-Zeichnungen und der ungewöhnlichen Größe jedem Käufer in einem Geschäft sofort ins Auge fallen musste. Schon von Beginn an setzte das Unternehmen auf einen hervorragenden Künstler, der jahrelang sämtliche Cover der Verpackungen gestalten sollte: Roger Dean. Zudem zeichnet er sich verantwortlich für das berühmte Logo von Psygnosis, dem Eulenkopf. Neben seinen Arbeiten für das Unternehmen gestaltete er noch die Cover für viele Bands der 70er und 80er (unter anderem Yes, Asia, Uriah Heep), aber auch die Firmenlogos von Harcest Records, Vorgin Records oder Vertigo Records.
Eine noch umfangreichere History im PDF-Format (20 MB)
1987 | Deep Space | Action |
1987 | Barbarian | Action |
1988 | Menace | Action |
1989 | Stryx Blood Money |
Action Action |
1989 | Shadow of the Beast Never Mind |
Action Puzzle |
1990 | Shadow of the Beast II Awesome Infestation Atomino |
Action Action Action / Simulation Puzzle |
1991 1993 |
Barbarian II Lemmings Microcosm |
Action Action / Puzzle Action CD 32 |
Das Spiel war erfolgreich genug, dass Psygnosis die größte Arbeit in die grafische Darstellung steckte, das Gameplay jedoch nicht erweiterte und schon fast stagnierte. Mit der Zeit wurde das Unternehmen immer größer und Psygnosis fungierte schon bald als Publisher für zahlreiche Spiele, die nur noch zum Teil im Unternehmen entwickelt wurden. Für diesen Zweck arbeiteten viele Grafikkünstler für das Unternehmen, die kontinuierlich einen beachtlichen Bestand von Grafiken erstellte, auf die dann Programmierer zugreifen konnten. Somit konnte einen Dritthersteller, der zwar qualifizierte Programmierer, aber keine Grafiker hatte, trotz allem Spiele erstellen. Aufgrund dieser Zusammenarbeit mit Grafikkünstlern erntete Psygnosis schon bald einen guten Ruf in der Computerszene.
1987 erschien dann ihr erster größerer Hit , namens Barbarian. Das Spiel bestach durch seine exzellenten Animationen und Blutrünstigkeit und wurde schon bald eine Legende, nicht zuletzt durch das hervorragende Intro, das schon bald zum Markenzeichen des Unternehmens bei jeden Spiel werden sollte. Erstellt wurden diese mit Sculpt 4D (Amiga), dem ersten Raytracing-Programm für den Amiga. Wurden noch in der ersten Zeit Spiele, sowohl für den Amiga, als auch den Atari ST veröffentlicht, wechselte Psygnosis schon bald vollends auf den Amiga, da dieser grafisch mehr leisten konnte (ab und an kamen jedoch auch Portierungen für den Atari ST heraus). Diese Entscheidung führte zum raschen Erfolg des Unternehmens und gipfelte in den Anfangstagen in dem Verkaufshit Shadow of the beast, der den größten Erfolg des Unternehmens bis zu diesem Zeitpunkt darstellte, obwohl der Preis mit ungefähr 60 € exorbitant war. Selbst das beigelegte Shirt konnte den Preis nicht versüßen. Das Programm an sich war jedoch seiner Konkurrenz in allen Belangen überlegen, beinhaltete es doch unter anderem ein zwölf stufiges Parallax-Scrolling und einen exzellenten Soundtrack. Shadow of the beast war eine echte Killerapp und lief in zahlreichen Computerläden zur visuellen Darstellung der Fähigkeiten eines Amiga. Das Spiel wurde von den beiden Programmierern Paul Howarth und Martin Edmonson entwickelt, die beide selbst erst 20 und 21 waren.
Das nächste Spiel wurde zu einem Meilenstein im Bereich der Computerspiele und auch ein echter Suchtfaktor: Lemmings. Das Spiel selbst wurde von DMA Design, unter der Führung von Mike Dailly, entwickelt. DMA Design existiert heute unter diesem Namen nicht mehr, sondern ist nun als Rockstar North bekannt, unter anderem für die Entwicklung von Grand Theft Auto. Ursprünglich wurde das Spiel nicht als solches entworfen, sondern stellte eine Machbarkeitsstudie für Walker (einem Nachfolger von Blood Money) dar. In diesem Spiel war es von Nöten kleine animierte Charaktere mit einer Größe von 8 × 8 Pixeln zu integrieren und Dailly erschuf eine kleine Animation, die sich endlos bewegen konnte und nur aus wenigen Animationsphasen bestand. Russel Kay, ein Mitarbeiter von DMA Design, erkannte das Potenzial und vergab auch den Namen Lemmings. Die Landschaften, durch die die Lemmings sich bewegten, wurden auf einem Amiga und dem Programm DeLuxe Paint entworfen. Durch dieses Programm war es vielen Mitarbeitern möglich selbst eigene Levels zu entwerfen. Dies führte dazu, dass das Spiel mit hunderten von Levels ausgestattet war. Selbst für den Amiga, dem ewigen Kopiercomputer, konnte Psygnosis bereits am ersten Tag über 55.000 Einheiten verkaufen und stellte damit Menace (20.000) und Blood Money mit 40.000 Einheiten in der gesamten Verkaufszeit deutlich in den Schatten. Mit allen Portierungen für andere Systeme konnte das Spiel bis zum heutigen Tage über 15 Million mal verkauft werden seit 1991. Noch heute gilt Lemmings als der Wegbegründer der Echtzeitstrategie.
Nach vielen Sequels und weiteren Spielen veröffentlichte Psygnosis mit Microcosm 1993 ein Shoot ’em up, das speziell für die CD-Konsolen Mega-CD und Amiga CD32 entwickelt wurden, ebenso wie für CD-ROM für MS-DOS. Das Spiel beinhaltete realistische Full-Motion-Viedos mit Render-Grafiken, die auf Workstations von Silicon Graphics entworfen wurden. Ursprünglich sollte das Spiel für CDTV erscheinen (eine Demo für das Spiel wurde auf einem CDTV gezeigt), wurde dann jedoch direkt für das CD 32 entwickelt. Kurioserweise gab das Spiel sein Debüt jedoch nicht auf einem CD 32, sondern auf einem japanischen FM Town.
Die Lage wurde für das Unternehmen jedoch immer schwerer, da ihr Hauptcomputer, der Amiga, zunehmend veraltete und der Amiga 1200 sich nicht recht verkaufte. Dies führte dazu, dass das Unternehmen seinen Fokus auf andere Computer richten musste und dies bedeutete auch eine Neuorientierung der kommerziellen Strategie.
Diese Aufgabe wurde ihnen jedoch abgenommen, als Sony Electronic Publishing 1993 in das Unternehmen einstieg. Für den bestehenden Start der Sony PlayStation im September 1995 entwickelte Psygnosis zahlreiche Spiele, die der PlayStation zu ihrem Erfolg verhalfen, unter anderem WipeOut, G-Police oder auch die Colony Wars-Serie. Psygnosis konnte sich nun stark erweitern und eröffnete Filialen in Stroud, London, Chester, Paris, Deutschland und Kalifornien. Besonders Stroud ist hier hervorzuheben, da diese Filiale lediglich dazu eröffnet wurde, um die zahlreichen Programmierer des Konkurrenten Microprose abzuwerben.
Im Jahr 2000 übernahm Sony Psygnosis komplett und das Unternehmen verschmolz mit Sony Computer Entertainment Europe. Dabei verschwand der traditionelle Name und wurde zu SCE Studio Liverpool. Die internen Strukturen des Unternehmens blieben dabei jedoch unangetastet. Dies galt ebenso für die ehemaligen Psygnosis-Studios Stroud und Camden (nun Studio Stroud und Studio Camden. Das erste veröffentlichte Spiel unter dem Namen war Formula One 2001 (im gleichnamigen Jahr) und war zudem das erste Spiel des Unternehmens für die PlayStation 2. Das nächste Spiel war WipeOut Pure für die PlayStation Portable im Jahre 2005. Nach einem weiteren Spiel aus dieser Serie im Jahre 2008 für die PlayStation 3 veröffentlichte Sony am 29. Januar 2010 eine Erklärung, in der sie erklärte, dass das Studio Liverpool endgültig seine Pforten schließen würde, jedoch die Spieleserien, für die sie bekannt waren weiter entwickeln würden. Damit war nun Psygnosis endgültig gestorben.
(Quelle: Historycorner.de)