Graftgold Ltd.
Graftgold war ein unabhängiges Softwareunternehmen aus England, einer Hochburg der damaligen 8-Bit-Computer. Steve Turner, der Gründer des Unternehmens, arbeitete zuvor für etliche Firmen als Programmierer und schuf dort maßgeschneiderte Programme, die den Mitarbeitern das arbeiten erleichtern sollte. Doch Steve wollte mehr, er wollte die Möglichkeiten des neuen Mediums aufzeigen und die Anwender sollten erkennen, dass der Computer auch mehr konnte, als ein Arbeitstier zu sein. 1982 war seine Entscheidung so weit gereift, dass er seinen Job kündigte und als freiberuflicher Spieleentwickler das Unternehmen ST Software gründete. Die ersten Entwicklungen basierten auf Turners Idee echtes 3D auf Computern zu realisieren.
Anfangs entwickelte er seine Spiele mit einem Hex-Loader, den er dafür selbst schrieb. Erst schrieb er den Programmcode in Assembler auf Papier (!) und werkelte ihn dann in hexadezimalen Code um. Dies galt auch für die Grafik, die ebenso geschaffen wurde. Es war eine mühsame Arbeit voller Schwierigkeiten, die zudem extrem fehlerbehaftet war. Steve versuchte seine üblichen Arbeitszeiten, die er von der Arbeit in den Unternehmen kannte, auch zuhause umzusetzen. Er fing um 9:00 Uhr an und arbeitete kontinuierlich bis 17:00 Uhr. Auch wenn das Esszimmer bequemer war, als das Büro, er begann sich einsam zu fühlen und fragte seinen Freund Andy Braybrook, ob er nicht in seinem kleinen Unternehmen einsteigen würde. Jedoch war dies riskant, da Steve zwar ein kleines Finanzpolster von 10,000 £ in den Jahren gespart hatte, die ihm die erste Zeit ermöglichte ohne Job zu leben. Ein Angestellter allerdings würde die Reserve allerdings schneller aufbrauchen und das Unternehmen müsste bereits im ersten Jahr Gewinne erwirtschaften, sonst wäre der Traum für Steve vorbei. Andy war jedoch eine gute Wahl und hatte eine ähnliche Vergangenheit wie Steve Turner selbst: er arbeitete zuvor für ein Unternehmen und schrieb etliche Spiele auf einem IBM Mainframe. Mit seinem ersten Mitarbeiter änderte das Unternehmen seinen Namen von ST Software (Steve Turner Software) in Graftgold.
1989 | Rainbow Islands | Action |
1990 | Super Off Road | Racing |
1990
|
Paradroid 90 Simulcra |
Action Action |
1991 | Realms |
Strategie |
1992 | Fire & Ice |
Action |
1993 | Uridium 2 Nipper Versus The Kats |
Action Jump&Run |
1994 1995 |
Empire Soccer 94 Virocop |
Sport Action |
Die erste Aufgabe von Andy bestand somit darin, Steves Spiele auf den Dragon 64 zu portieren. Diese Portierungen waren jedoch der erste Rückschlag des Esszimmerunternehmens, da Dragon kurze Zeit später die Produktion und den Verkauf der Dragon-Computer einstellte. Obwohl eine große Anzahl dieser Computer im Umlauf war, gingen auch die Softwareverkäufe drastisch zurück, da niemand auf einem System sitzenbleiben wollte, das keine Zukunft hatte. Nur einige hundert Kopien konnte Graftgold verkaufen. Steve und Andrew lernten jedoch aus dieser Erfahrung. Sie wussten nun, dass es wichtig war, vor der Entwicklung auf das richtige System zu setzen. Allerdings gestaltete sich die Suche nicht so einfach, wie es im Rückblick, aussah. Zu dieser Zeit war der Markt überfüllt mit etlichen Computersystemen und noch war nicht ersichtlich, welcher Computer das Rennen machen würde. Es zeigte sich jedoch ein kleiner Trend zugunsten des Commodore C64 und beide entschieden sich auf dieses System zu setzen.
Bevor jedoch die Entwicklung weiterer Spiele beginnen konnte, programmierten beide zahlreiche Grafikeditoren und andere Hilfsmittel, die die Arbeit erleichtern sollten. Noch immer konvertierten sie die Spiele mittels des Hexeditors um. Dies sollte sich aber bald ändern und Graftgold war es, mit der Zeit, auch möglich, bestimmte Speicherblöcke aus dem Programmcode auszulesen und diese dann, während des Spiels, direkt zu modifizieren. Dies half bei der Verbesserung bestimmter Spielpassagen ungemein. Aber auch die Fehlersuche konnte damit erheblich verkürzt werden.
In dieser Zeit entwickelte sich Hewson, ein Publisher, der sich schnell einen Namen machte zu einer ersten Anlaufstation für Graftgold. Oftmals besuchten Steve und Andrew den Unternehmenschef Andrew Hewson und seinen Bruder Gordon Hewson, um ihnen ihre neusten Produkte vorzuführen. Hewson war für die beiden Jungs die ideale Plattform, besaß das Unternehmen doch eine eigene Fertigungsstätte für Datasetten, welches von dem Vater der beiden Brüder geleitet wurde. Hewson konnte so jederzeit die Nachfrage bei Spielen stillen. Die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen war eine Win-Win-Situation. Sowohl der Publisher, als auch Graftgold konnten sich so auf dem markt etablieren. Zudem finanzierte Hewson auch die Entwicklung der Spiele für Graftgold und Steve und Andrew konnten sich entspannt auf die Programmierung konzentrieren, ohne dabei zu befürchten, dass ihr Geld dazu nicht reichen würde.
Hewson bedrängte, im Gegensatz zu anderen Publishern (vor allem in der heutigen Zeit), die beiden nie bei der Entwicklung von Spielen und ließ ihnen jegliche kreative Freiheit, die dann zu Meilensteinen wie Avalon und Paradroid führte. Paradroid war ein gänzlich neues Konzept, im Gegensatz zu den Spielen in dieser Zeit. Der Spieler steuerte einen kleinen Roboter, der Frachtschiffe, die von feindlichen Robotern übernommen wurde, wieder von diesen säubern musste. Zu diesem Zweck besaß der Roboter die Fähigkeit sich, mit einem Logikspiel, mit anderen Robotern zu verbinden und diese zu übernehmen, inklusive der Fähigkeiten, die jedes Modell besitzt.
Von ihren Einnahmen verblieb der größte Teil innerhalb des Unternehmen, um auch in Zukunft genügend Reserven zu haben, um weitere Spiele zu produzieren. Besonders die Spiele von Andrew Braybrook (wie beispielsweise Paradroid) verkauften sich ausserordentlich gut und zahlreiche Portierungen auf andere Systeme wurde gefertig, allerdings nicht von Graftgold direkt, da sie sich lieber auf die Entwicklung neuer Spiele konzentrieren wollten. Jedoch war dies, nach Aussagen von Steve Turner, ein Fehler gewesen. Graftgold vergab die Portierungen auf andere Systeme an Unternehmen, die zumeist eine schlampige und lieblose Umsetzung entwickelten, die den Qualitätsansprüchen von Steve nicht gerecht wurden, besonders, da zu dieser Zeit die Computerspieleindustrie begann aus den Hinterhöfen heraus zu kommen und ein professioneller Markt sich zu etablieren begann. Spiele verkauften sich nicht mehr nur durch Spielwitz und Orginalität, sondern durch aggressive Werbung in den Medien.
Zwar dominierten noch der Sinclair Spectrum und der Commodore C64, also jene Computer, auf denen Graftgold ihre Titel selbst entwickelte, allerdings begannen der Atari ST und der Amiga ihren Siegeszug durch die Wohn- und Kinderzimmer Europas. Dies fiel in erster Linie bei den Computerspielmagazinen auf, die immer mehr Platz den 16-bit-Systemen gaben, auf Kosten der „8-bitter“. Deren Zeit lief langsam ab. Problematisch wurde es in diesem Zusammenhang für die Publisher, weniger für die Entwickler, wie Graftgold. Steve und Andrew waren begeistert die neue Technik auszuprobieren und die Grenzen auszuloten. Hewson, ihr Publisher, hatte sich auf den alten Systemen ausgeruht und spührten nun den Untergang dieses Marktes, der zwar noch vorhanden war, aber deutlich einbrach. Sie konnten als Publisher erst den Schritt riskieren, wenn sich der neue Markt völlig etabliert hatte, zu groß wären sonst die Risiken, wenn Amiga oder Atari ST sich schlussendlich doch nicht durchsetzen würden. Daher trat Hewson mit der Bitte an Graftgold, einige Low-Budget-Spiele zu produzieren, um diese Phase der Marktentwicklung einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Für Graftgold bedeutete das, entweder alle vier Wochen ein Spiel zu entwickeln oder aber Killerapplikationen zu kreieren, die sich mindestens 100.000 mal verkaufen würden. Steve und Andrew war jedoch klar, dass keine der Möglichkeiten für ihr kleines Unternehmen machbar wären. Zwar verkauften sie Spiele für den Sinclair Spectrum durchaus erfolgreich, aber jedes neue Spiel für das System wurde in geringenen Einheiten verkauft. Zudem wurde die Entwicklung der Spiele immer zeitaufwendiger, da die Anwender immer aufwändigere Spiele sehen wollten. Eine Entwicklung, die noch bis heute andauert.
(Quelle: Historycorner.de)
Und letztlich passierte es. Steve Turner programmierte an einer Fortsetzung seines Erfolges Quazatron, während Andrew Braybrook die letzten Designänderungen an Morpheus tätigte, als die Bombe platzte: Hewson war in Schwierigkeiten. Dies erfuhren sie jedoch zu Beginn nicht durch Hewson oder andere offizielle Kanäle, vielmehr waren es zwei Programmierer, die das Unternehmen verliessen, nachdem die finanziellen Probleme nicht mehr wegzudisskutieren waren. Sie riefen bei Steve an und fragten ihn, ob er Interesse hätte sie beide unter Vertrag zu nehmen. Dieser nahm das Angebot an und Graftgold verdoppelte dadurch seine Mitarbeiterzahl augenblicklich. Jedoch war es nun nicht mehr möglich, zu viert im Esszimmer zu programmieren. Es folgte der Umzug in ein kleines Büro in Witham, direkt über einem Gemüsehändler.
Doch waren die beiden „abtrünnigen“ Deisgner nicht die einzigen Personen, die Steve vor Hewsons Probleme warnten. Auch Debbie Silletoe, damalige Nummer 2 bei Hewson informierte, kurz nach ihrem Wechsel zu British Telecomsoft, Graftgold über den baldigen Absturz des Publishers. Im gleichen Atemzug bewarb sie ihr neues Unternehmen als potentiellen Nachfolger und Turner wechselte, nach einigen Überlegungen, somit den Publisher. Hewson war über diesen Schritt nicht sonderlich begeistert und verklagte Graftgold auf die Auslieferung zweier Spiele unter ihrem Namen. Da Hewson Steve Turner jedoch bisher nicht bezahlt hatte, sah sich dieser keiner Schuld bewusst. Ein Gericht sollte das Dilemma klären, allerdings konnten sich British Telecomsoft und Hewson aussergerichtlich einigen.
Kaum war diese Situation geklärt, änderte sich erneut das gesamte Gefüge: Microprose, bestens bekannt durch Wild Bill Stealey und Sid Meier, kaufte British Telecomsoft auf und erhielten nun die Publishing-Rechte für die nächsten Graftgoldspiele. Zu dieser Zeit entwickelte Graftgold Bushido und Simulcra, die aber noch weit entfernt von einem Goldstatus waren. Microprose jedoch war bereit die beiden Spiele zu veröffentlichen. Ebenso waren sie interessiert an der Portierung des Automatenhits Rainbow Island, dem offiziellen Nachfolger zu Bubble Bobble. Graftgold versuchte ihnen ein Spiel über das Szenario Battle over Britain (dem Kampf der englischen und deutschen Luftwaffen zur Vorbereitung der Operation Seelöwe) schmackhaft zu machen, allerdings war der Publisher daran nicht interessiert, was insofern verwunderlich ist, da Microprose stets Militärsimulationen veröffentlicht hatte. Die Beziehungen verschlechterten sich und schlussendlich gingen beide Seiten getrennte Wege. Kurze Zeit später wurden Steve und seine Männer mit Activision einig, die ebenso Interesse an Battle over Britain hatten, als auch dem kleinen Unternehmen die Entwicklung von „Realms“ übertrugen. Kaum gestartet, erreichte sie erneut eine Hiobsbotschaft: Activision stoppte die Arbeit als Publisher und entwickelte non nun an selbst Computerspiele. Ein herber Rückschlag.
Dennoch konnte das kleine Unternehmen überleben, programmierten sie für Virgin Interactive die 8- und 16-bit-Portierungen des Automatenhits Off Road Racer. Für Entwicklungsstudios waren Konvertierungen zu dieser Zeit eine exzellente Möglichkeit Geld zu verdienen: man riskierte keine Neuentwicklung, die durchaus Flops werden konnten. Stattdessen besaß man einen zugräftigen Namen und musste zudem das Spiel nicht vertreiben, dies alles erledigte der Auftraggeber. Problematisch war nur, das keine weiteren Einnahmequellen durch den Verkauf zustande kamen, was Graftgold aber wollte. Daher kauften sie das Realms Projekt von Activision zurück und boten es Virgin an. Das Unternehmen war interessiert und schlug zu. Virgin unterstützte sie bei der Entwicklung. Das Spiel war ein mittelmäßiger Erfolg im Verkauf, brachte Graftgold jedoch wieder zurück in die Gewinnzone.
Zu jener Zeit, 1991, begann auch der Aufstieg der Konsolen von Sega und Nintendo. Hatte Graftgold den Boom der 8-bit-Konsolen (Sega Master System und Nintendo Entertainment System) nicht nutzen können, aufgrund von Verträgen, wollten sie bei den 16-bit-Konsolen jedoch starken Anteil nehmen. Hilfreich war dabei Virgin, die das kleine Unternehmen dem japanischen Unternehmen Sega vorstellten und sie so zu Sega-Entwickler machen konnten. Ebenso wie Nintendo besaß Sega eine Qualitäts- und Lizenzkontrolle, die nicht jeden Entwickler zuließ. Zu Beginn konvertierten Steve und Andrew zahlreiche Spiele, inklusive Offroad Racer und Superman, jedoch waren dies die letzten Tage der alten Konsolen und wie auch schon zuvor bei den Computer wechselten die Anwender auf die moderneren Konsolen.
Graftgolds erste Auftragsarbeit war damit Ottifant (die Comicfigur des deutschen Komikers Otto Waalkes) und Graftgold sollte das komplette Spiel entwickeln. Die Ottifanten sollten ursprünglich in ganz Europa im Fernsehen ausgestrahlt werden und das Unternehmen hätte somit eine Werbeikone, die die Verkaufszahlen fördern sollte. Allerdings waren die meisten Fernsehanstalten nicht daran interessiert. Sega gab ihnen ein Zeitfenster von drei Monaten, um noch vor Sonic ein Jump ’n‘ Run auf dem Sega Mega Drive anbieten zu können. Allerdings dauerten die Verhandlungen mehr als einen Monat und konnten damit nicht für die Entwicklung genutzt werden, da eine Entwicklung vor der Vertragsunterzeichnung Schwierigkeiten mit sich brachte, denn Änderungen kamen immer wieder vor und machten jegliche Vorarbeit zunichte.
Insgesamt war der Start in die 16-bit-Konsolenära also wenig erfolgreich, allerdings arbeitete das Unternehmen weiterhin an etlichen Amiga-Spielen, die sich noch immer, trotz Raubkopien, durchaus gut verkauften. Beispielsweise Fire & Ice, dass 1992 veröffentlicht wurde, zu einer Zeit, als der Amiga noch auf seinem Höhepunkt, der Abgrund allerdings schon zu sehen war. Veröffentlicht wurde das Graftgold-Spiel durch Renegade,einem britischen Publisher, der durch die berühmten Bitmap Brothers, gegründet wurde. Ziel des Studios war, nicht den Publisher, sondern die Entwickler in den Vordergrund zu rücken, oder zumindestens deren Verdienst zu steigern. Die Bitmap Brothers kannten selbst das Problem, da sie zuvor nur in Insiderkreisen eine feste Größe waren, die Masse jedoch eher Namen wie Electronic Arts oder Activision kannten und dabei übersahen, dass diese Unternehmen zumeist nicht selbst entwickelten, sondern nur publizierten. Hier kam es nun zu Problemen, da Renegade und Virgin die Mega Drive-Version veröffentlichen wollten. Virgin gewann, jedoch entschieden sich Renegade, Virgin und Sega, dass sie gemeinsam die Master System und Gameboy- Variante entwicklen sollten. Virgin sollte die Mega Drive Version entwickeln, die jedoch nie erschien. Graftgolds Einstand für das Super Nintendo ließ lange auf sich warten, jedoch erhielten sie 1994 die Chance mit der Entwicklung eines Fußballspiels für die WM in den Vereinigten Staaten. Zeitgleich wurden auch Portierungen für den Amiga und den PC programmiert, die schon bald veröffentlicht wurden, jedoch nicht die Version für Nintendos 16-bit-Maschine. Sie kam nie auf den Markt.
Steve und Andrew konzentrierten sich nun in erster Linie auf den Amiga und nebenbei für den PC. Andrew Braybrook stellte Uridium 2 her, einen Nachfolger seines großen C64-Erfolges, nachdem seine Portierung von Fire&Ice für das Commodore CD32 ebenfalls nicht veröffentlicht wurde. Doch mit Virus Alert entstand das letzte Spiel für die „Freundin“ von Graftgold, zwar begann man noch die Arbeiten an einem Motocross-Spiel, jedoch wurden die Arbeiten zugunsten der PC-Version aufgegeben: der Amiga war für Renegade und Graftgold gestorben.
In dieser Zeit begannen die Entwicklungen zunehmend professioneller zu werden, was auch die Kosten explosionsartig vergrößerte. Hauptursache waren die Kosten für CDs, dem neuen Format, das nun Datenträger Nummer 1 wurde. Nicht nur das Pressen der Werke kostete weitaus mehr, als Diskettenversionen, vielmehr konnten sich Grafiker und Soundspezialisten austoben und die meisten Spiele wuchsen in der Speichergröße inflationär. Verbrauchte zuvor ein Spiel zwei Megabyte, wurden daraus schon bald 20 MBytes. Die Kosten verzehnfachten sich dadurch. Professionelle Silicon Graphics Workstations waren zuständig für In-Game-Videos und wurden zur Norm. Zu dieser Zeit begann auch die Playstation ihre Erfolgsgeschichte.
Graftgold bemühte sich um eine Entwicklungslizenz, die sie auch erhielt, allerdings kostete das Development-Kit zu viel, das Unternehmen sah sich nicht im Stande das Geld dafür aufzubringen und suchte nach einer Lösung für das Problem. Steve fokussierte alle Kräfte auf die Entwicklung eines Spiels: International Moto X, ein Fun-Crossbike-Rennspiel. Es war eine riskante Entscheidung, denn sollte das Projekt kippen, würde auch das Unternehmen dies nicht überleben. Trotzdem reichte das Geld nicht und Graftgold benötigte noch einen Finanzgeber, den sie erneut in Renegades fanden. Sie gaben ihnen die finanziellen Mittel, um das Projekt zu einem CD-Titel reifen zu lassen. Zudem erhielten sie das Angebot für die Entwicklung eines Playstation-Spiels und griffen sofort zu. Mit der Finanzspritze kaufte sich Graftgold umgehend das Playstation Development Kit und konnte mit der Entwicklung beginnen. Graftgold stand ihnen zu dieser Zeit immer zur Seite, eine notwendige Maßnahme, gingen zu jener Zeit viele kleinere Firmen bankrott oder wurden von größeren Unternehmen einfach geschluckt. Viele Publisher übten Druck auf die kleineren Firmen aus, indem sie deren Produkte einfach wieder fallenliessen. Dies war der Tod für so manches Unternehmen. Doch auch Renegade konnte den langen Grabenkampf mit den größeren und weltweit agierenden Unternehmen nicht länger standhalten und wurde 1995 von Warner Interactive (einer Tochter des Unternehmens Time Warner) aufgekauft. Jedoch war man bei Renegade nicht wirklich betrübt darüber, ermöglichte der Aufkauf doch die Expansion des Unternehmens und ihrer Produkte und darüber hinaus das Budget einzelner Produktionen erheblich zu steigern. Dies sollte auch Graftgolds Situation verbessern, denn das kleine Unternehmen war von den monatlichen Zahlungen, seitens Renegade im hohen Maße abhängig. Ihre letzten Entwicklungen, wie beispielsweise das Spiel zur Fußball-WM oder aber Fire&Ice für das CD32, waren alle nicht veröffentlicht worden. Alle Hoffnungen lagen nun auf International Moto X und es war zum Erfolg verdammt. Zudem wollte Renegade das Spiel nur unter eigener Flagge veröffentlichen, vielleicht in der Annahme so genügend Mittel zu erwirtschaften, um sich dann wieder die Unabhängigkeit zu erkaufen.
Graftgold arbeitete derweil an einem weiteren Spiel, zeigte dies nun jedoch nicht Renegade, sondern ging damit direkt zu Warner und legte mit der spielbaren Demo das gesamte Unternehmen lahm. Dies lag nicht an einem Bug oder Virus, vielmehr wollte jeder das Spiel sehen. Mehr brauchte der Vorstand nicht, um das Spiel und die Mannschaft sofort unter Vertrag zu nehmen. Es wurde das ambitionierteste und teuerste Projekt von Graftgold. Zusätzliche Mitarbeiter wurden eingestellt und die ersten Monate erschienen immer weitere Betaversionen. Das Spiel schien auf dem richtigen Weg zu sein, jedoch nicht Warner Interactive. Wie schon so oft zuvor in der Geschichte von Graftgold, überdachte der Publisher seine Situation innerhalb der Softwarebranche und setzte den Rotstift an, um Kosten zu sparen. Ausgerechnet das Spiel, dass bei Warner alle verzückte, fiel den Kürzungen zum Opfer.
Für Steve Turners Firma bedeutete dies einen schweren Schlag und nur mit Mühe konnte er das Schiff vor dem sinken bewahren, vor allem durch einen Vertragsabschluss mit Acclaim für die Portierung von Rainbow Island, einem jahrealten Spiel, auf die Playstation und der Sega Saturn. Eine weitere Portierung schlug jedoch, aufgrund von Lizenzproblemen, fehl und erneut kämpfte Graftgold ums nackte überleben. Das monatliche Einkommen der Programmierer reichten, um das Unternehmen über der Wasserkante zu halten, allerdings genügte es nicht annähernd für eine neue Entwicklung. Zwar war Motox, auf das alle Hoffnungen ruhte, bereits seit sechs Monaten fertig, jedoch wollte Warner Interactive immer wieder Updates und kleinere Veränderungen, da der Markt nur hochwertige und perfekte Spiele verlangte und die Publisher nicht wagten, andere Spiele auf den Markt zu bringen. Als jedoch dem Publisher klar wurde, dass Graftgold kurz vor dem Aus stand und sie dann überhaupt kein Produkt besitzen würden, überreichten sie Steve erneut einen Scheck, kurz bevor Warner selbst verkauft wurde. Nun war Geld vorhanden (wenn auch nicht viel), aber kein Publisher, da die alten Verträge aufgelöst wurden. Jedoch konnte der neue Eigentümer davon überzeugt werden, unter dem Label Warner das Spiel doch noch auszuliefern, allerdings wurden keinerlei besondere Werbefeldzüge gestartet. Dennoch verkaufte sich International Moto X recht erfolgreich. Steve Turner fragte sich später noch , was aus dem Spiel wohl geworden wäre, wenn die Verantwortlichen die richtige Marketingkampagne gestartet hätten. Obwohl mehr hätte verkauft werden können, wurde das Spiel das gewinnträchtigste Produkt Graftgolds.
Dennoch ging es dem Unternehmen schlecht: die Produktion eines Spiels für das Unternehmen Coconut dauerte länger als angenommen und Coconut drosselte, ganz nach Vertrag, die monatlichen Überweisungen. Steve hatte keine andere Möglichkeit, als die meisten Mitarbeiter zu entlassen und nur noch eine Rumpfcrew überleben zu lassen. Jedoch kam ihm erneut das Glück ins Haus, diesmal durch das Telefon, als der Managing Director von Perfect anrief, einem Unternehmen, das zu dieser Zeit mit der Software-Adaptierung der Scheibenwelt-Romane sehr erfolgreich war. Sie interessierten sich für Graftgold und waren bereit Graftgold aufzukaufen. Des weiteren besaß Perfect genügend finanzielle Mittel, um weitere Produkte entwickeln zu lassen.
Nachdem der Aufkauf vorüber war, setzte sich der neue Eigentümer mit Coconut in Verbindung und übernahm selbst die Entwicklung des Spiels. Sämtliche Mitarbeiter wurden, mit Ausnahme eines Grafikkünstlers, von diesem Projekt abgezogen. Perfect startete das Projekt nocheinmal und es dauerte zwei Jahre, bis das Spiel unter dem Namen Hardcops endlich veröffentlicht wurde. Obwohl so viel versprochen wurde, blutete das kleine ehemalige Esszimmerunternehmen aus. Viele Neuentwicklungen wurden seitens Perfect aufgeschoben oder gleich wieder eingestellt. Graftgold hörte 1998 endgültig auf zu existieren.
Steve Turner arbeitet noch immer in der IT-Branche, während Andrew Braybrook, der geniale Schöpfer zahlreicher Amigaspiele, nun für eine britische Versicherungsgesellschaft arbeitet. Die Spielezeit scheint vorbei, auch wenn sich Steve Turner, vor kurzem, geäussert hatte, dass es nun auch leichter für ihn sei, da er nun, statt 80 Stunden pro Woche, nur 37 arbeiten müsse und keine Sorgen habe, wie es weitergehen würde. Auch Spieleentwickler werden erwachsen.
(Quelle: Historycorner.de)