Amigaland

Jay Glenn Miner (Amiga)

Jay Glenn Miner - (31.5.1932 - 20.6.1994)

Wenn es einen Menschen gibt, der als Vater, als Schöpfer einer ganzen Computerserie gibt, dann ist dies mit Sicherheit Jay Miner, der Vater des Amiga. Seinen Lebenslauf zu schreiben ist nur möglich, wenn man seinen Blick auch auf die Geschichte seines Unternehmens Amiga, Inc. richtet. 1932 in Prescott, Arizona geboren, zog er schon bald mit seiner Familie nach Kalifornien und besuchte in San Diego die dortige Universität in Berkeley. Zuvor jedoch leistete Jay seinen Dienst bei der amerikanischen Küstenwache, die sein Talent für Elektronik erkannten und ihn in eine Schule für Elektronik überstellten, die in Groton, Connecticut, lag. In diesem Umfeld lernte er seine zukünftige Frau Caroline Poplawski kennen, die er schon kurze Zeit später ehelichte. Die Dienstzeit von drei Jahren verging, dank Heirat, relativ schnell und Caroline zog mit ihrem Mann zurück nach Kalifornien, um sein Studium zu beginnen. 1959 schloss er dieses mit einem Bachelor of Science in Electrical Engineering and Computer Science erfolgreich ab. Dies erlaubte ihm in den 1960ern bei zahlreichen Unternehmen und Firmen anstellig zu werden, aber auch das Glück mit eigenen Startups zu versuchen. Unter anderem entwickelte er einen ferngesteuerten Herzschrittmacher. Probleme hatte Miner jedoch mit seiner eigenen Gesundheit: die Funktion seiner Nieren war eingeschränkt und Jay verbrachte viel Zeit an Dialysegeräten. Allerdings schien dieses Problem ihn nicht weiter aufzuhalten und in den nächsten Jahren entwarf er mitunter einen der ersten digitalen Voltmeter und Taschenrechner und war seiner Zeit damit voraus.

Harold M. Lee erkannte das Potential und lud ihn zu Atari ein, wo er sofort eine Festanstellung erhielt. Das erste Projekt war der Television Interface Adapter, kurz TIA, der den Grundstein zum Atari VCS 2600 bilden sollte. Atari selbst hatte zuvor mit den ersten Pongautomaten ein Vermögen gemacht und vertrieb auch schon seit einiger Zeit Wohnzimmerversionen ihres Spielautomaten. Der Markt schien allerdings gesättigt zu sein und ein logischer Schritt war demnach ein Modell zu entwickeln, dass dem Anwender ermöglichte die Spiele auszutauschen und somit immer neue Anwendungen zu erleben. Jedoch kam Ataris Entwicklungsabteilung einfach nicht weiter und erst Jays Mithilfe versprach Erfolg. Bisher besaß Atari lediglich eine Steckplatine voller Funktionen, die aber in dieser primitiven Weise nicht eingesetzt werden konnte. Jay setzte sich an das Problem und vereinte sämtliche Funktionen in einen Chip, den er eben TIA taufte. Mit seiner Hilfe und einer kurzen Zeit des Debugging war das Problem gelöst und Atari konnte das VCS 2600 auf den Markt bringen, dass zu einem unglaublicher Erfolg und Beginn der modernen Computerspielindustrie wurde. Als Anekdote sei darauf hingewiesen, dass Jay niemals allein arbeitete und dafür stets seine engste Mitarbeiterin an seiner Seite wusste: Mitchy. Mitchy war ein Cockapoo, ein Mischling aus Pudel und Cocker Spaniel und besaß, ebenso wie sein Herr ein eigenes Namensschild an der Tür. Vielleicht ist dies der erste geschichtliche Hinweis auf einen nicht-menschlichen Computerentwickler, denn Mitchy war entscheidungsbefugt. Wusste Jay einmal nicht, wie die Weiterentwicklung eines Projektes von statten gehen sollte, zeigte er die Entwürfe seinem Cockapoo. Knurrte Mitchy einen der Entwürfe an, wanderte dies ohne weiteres sofort in den Papierkorb. Der Hund war die letzte Instanz.

Das gemeinsame Entwicklungsteam bastelte in der Folgezeit an den weiterführenden Entwürfen des TIA, die in später in den 8 bit-Computern des Unternehmens arbeiten sollten. Jay entwarf dafür den ANTIC-Chip (Alphanumeric Television Interface Controller), der 1981 patentiert wurde. ANTIC beherrschte 14 unterschiedliche Modi zur Darstellung von Text und Grafik und half dem MOS 6502 Prozessor bei der Verarbeitung der Daten. Im weitesten Sinne konnte man ihn als grafischen Coprozessor bezeichnen. Miners Vorarbeiten führten zusätzlich auch zum CTIA, der die verarbeiteten Grafiken und Texte dann an den Monitor ausgab. Der ANTIC verblieb bis 1986 in sämtlichen 8 bit Modellen des Unternehmens. Dies spricht wohl für sein vorzügliches Design, das keine Änderungen notwendig machte. Allerdings muss man hierbei auch erwähnen, dass Jay seine Entwürfe noch per Hand auf Papier brachte und so beschrieb, dass wohl nur er die Skizzen wirklich verstehen konnte. Nachfolgende Bearbeitungen durch Dritte waren kaum möglich.

Allerdings war Jay Miner nicht sonderlich glücklich, denn er interessierte sich für die neuen Motorola 68000 Prozessoren, die auf reiner 16 bit Basis arbeiteten. Jay fragte bei Atari nach, ob er einen Computer entwickeln dürfe, der auf diesem Chip basierte. Atari selbst war nicht sonderlich begeistert: die Entwicklung des Atari 800 hatte enorme Summen verschlungen und das Unternehmen sah keinen Sinn in einem Computer, dessen Prozessor bereits 100 $ kostete, von den Kosten für den Arbeitsspeicher ganz zu schweigen. Der Motorola 68000 Prozessor benötigte die doppelte Menge an Speicher, was eben auch die Kosten verdoppelte. Diese uneinsichtige Einstellung der Führung, die die Zeichen der Zeit nicht verstanden, enttäuschte Miner gewaltig und kurzerhand kündigte er seine Zusammenarbeit 1982 auf. Statt dessen unterschrieb er bei einem Unternehmen für Herzschrittmacher. Die Entwicklung seines 16-bit-Konzeptes entwickelte er dieser Zeit jedoch weiter, allerdings zumeist in Details, denn die Grundkonzept war bereits fertig entwickelt.

Ein paar Jahre früher, 1980, entschied sich auch Larry Kaplan über seine Zukunft bei Atari Gedanken zu machen. Gemeinsam mit ein paar weiteren Entwicklern war er über die Bezahlung nicht sonderlich erfreut und fragte den Vorstand nach einer Gehaltserhöhung, die ihm natürlich nicht gewährt wurde, obwohl Atari mit seinen Spielen Millionen verdiente. Wie Miner, verließ auch Kaplan das Unternehmen und gründete, gemeinsam mit den ebenfalls ausgestiegenen Programmierern Activision. Nach zwei Jahren rief er 1982 seinen alten Kollegen Jay Miner an und klagte, das Activision auch nicht seinen Vorstellungen entsprach. Er wollte eine neue Firma gründen und fragte Jay, ob er einen passenden Anwalt kennen würde, der ihm bei der Gründung beratend zur Seite stand. Statt nun im weiten Umfeld zu suchen, arrangierte Jay ein Treffen zwischen Kaplan und seinem eigenen Firmenchef bei Xymos. Dieser half ihm mit dem notwendigen Gründungsplan. Des weiteren verschaffte er ihm Investoren, die selbst daran interessiert waren eine Videospielkonsole auf den markt zu bringen. Der Videospielmarkt hatte eben noch nicht seinen Höhepunkt erreicht und war noch nicht über Nacht zusammengefallen. Als Gegenleistung für die Existenzgründung sollte Xymos im übrigen die Chips für das System fertigen.

Nach Jays Idee sollte die Konsole allerdings jederzeit zu einem echten Computer ausgebaut werden können, wenn der Anwender dies wollte. Kaplan sollte dabei die passende Software entwickeln, während Jay federführend bei der Hardware war. Auch Kaplan mochte die Idee, den Rechner ausbauen zu können, verschwieg den Investoren allerdings diese Option, womöglich aus dem Grund, dass Computer zu der Zeit auf dem Massenmarkt einfach nicht so gefragt waren, auch wenn bereits ein kleiner Interessenkreis bestand, der stetig wuchs. Dieser hatte jedoch bei weitem nicht die Kaufkraft einer Intellivision oder VCS 2600.

Für Jay Miner war die Entscheidung endgültig gefallen und er zog schlußendlich nach Santa Clara, um sein eigenes Computerprojekt zu realisieren. Jedoch stellte Miner klare Forderungen: er erhielt ein monatliches Gehalt, ein Aktienpaket und seine persönliche Assistentin: Mitchy. Die Hundedame erhielt vollen Zutritt zu den Räumen den Unternehmens. Allerdings existierte eine Klausel, die besagte, dass ihre Zungangsberechtigung jederzeit wieder entzogen werden konnte, wenn sich Mitarbeiter durch sie gestört fühlten, was allerdings nie passierte, da Mitchy bei den Mitarbeitern sehr beliebt war. Jay war dieser Punkt sehr wichtig, er brauchte Mitchy um sich, um sich bei seiner Arbeit wohl zu fühlen. Dies lockerte und beruhigte ihn und er konnte sich voll auf seine Arbeit konzentrieren, die ihm ebenfalls sehr am Herzen lag.

Bevor jedoch auch nur die erste Steckplatine begonnen wurde, stieg Kaplan bereits wieder aus seiner eigenen Firma aus. Jay Miner wurde im selben Augenblick Vizepräsident eines Unternehmens, das bisher nur auf dem Papier bestand. Die Projektentwicklung lag nun völlig in seinen Händen. Auch ein Name wurde nun benötigt und man einigte sich auf Hi-Toro. Das beschauliche Büro in Santa Clara wurde geschlossen und Hi-Toro zog ins Mekka der Elektronikindustrie: Silicon Valley. Das neue Unternehmen ließ gleich verlauten, dass es sich personell vergrößern wollte, doch in den ersten Zeiten waren die Bewerber mit einer Hand zu zählen. Dies lag sicherlich nicht daran, dass Hi-Toro ein Startup-Unternehmen war, diese gab es zuhauf in Silicon Valley. Vielmehr lag es an dem Unternehmensnamen selbst, den unter einem ähnlichen Namen existierte auch eine Firma für Rasenmäher. Gemeinsam mit Dale Luck, der trotz des Namens sich nicht beirren liess (und wohl die Stellenanzeige komplett gelesen hatte…) suchte man nun nach einem passenderem Namen. Mithilfe der Investoren änderte man den Namen in Amiga, Inc. um. Jay selbst war zu Beginn überhaupt nicht begeistert über den Namen, korrigierte aber schon bald seine Meinung. Er selbst glaubte zu dieser Zeit, dass ein spanisches Wort bei den potentiellen Käufern falsche Assoziationen wecken würde.

 (Quelle: Historycorner.de)

 

 

Im Laufe der nächsten Monate wuchs das Entwicklungsteam für den Prototypen Lorraine (benannt nach der Gattin des Unternehmenspräsidenten) immer weiter heran. Jay Miner selbst suchte nicht nur Entwickler, sondern Personen, die mit Herzblut hinter diesem Projekt stehen könnten und nahm dabei auch einige seltsame Vorlieben und Ticks in Kauf. Liefen einige mit violetten Strumpfhosen durch die Gegend, konnte es durchaus passieren, dass sie auf Leute mit Plüschhasen-Slippern trafen. Exzentrik wurde bei Amiga eben groß geschrieben und trug auch zum familiären Klima bei. Dale Luck, der Grafikspezialist des Unternehmens, war als solcher überhaupt nicht zu erkennen und glich eher einem Hippy aus den späten 1960ern. Für Jay zählte nur das Resultat, von daher ließ er seine Mitarbeiter gewähren, die auch in den schlimmsten Zeiten immer entspannt waren; solange die Arbeit erledigt wurde, konnten sie schalten und walten, wie es ihnen beliebte. Dies führte zuweilen auch soweit, dass sich Mitarbeiter tagelang nicht blicken liessen und stattdessen von zu Hause arbeiteten.

Jedoch war noch immer nicht die Richtung des neuen Systems genau definiert. RJ Mical, ein Soft- und Hardwareentwickler (der sich später auch mit Defender of the Crown auszeichnete), plädierte noch immer für ein Low-Cost-Modell, dass als ernstzunehmende Konkurrenz gegen das Atari VCS 2600 positioniert werden sollte. Mit dieser Meinung stand er in einer Linie mit den Investoren, die genau für solch ein Produkt ihr Geld bereitgestellt hatten. Dale Luck oder Carl Sassenrath (der Vater des AmigaOS) sahen sich in der Opposition und verlangten eine Maschine, die als Ausgangsbasis mit den besten Erweiterungsmöglichkeiten ausgestattet war. Noch bis zur Veröffentlichung des Amigas war diese Grundsatzdiskussion nicht engültig ausgefochten worden. Amiga Inc. hatte allerdings einfache, dafür effektive Methoden, wenn es darum ging, Streitigkeiten zu lösen. Zu diesem Zweck wurden Baseballschläger aus Schaumstoff zur Verfügung gestellt, die auch dem letzten Verfechter bei einem Gefecht den Atem rauben konnte. Nach solch einer Schlacht wurde wieder normal weitergearbeitet. Keine Frage, die Mitarbeiter waren alle motiviert, da sie wussten, dass sie an dem aufregendsten Computer arbeiteten, der bis dahin entwickelt wurde. Besonders die Softwareentwicklung hatte große Energie an den Tag gelegt und war mit ihren Vorgaben bereits fertig, bevor die Hardwareentwickler auch nur den ersten Grafikchip erstellt hatten. Doch ein Betriebssystem fehlte noch immer und Carl Sassenrath erhielt die Möglichkeit dieses zu entwickeln. Ihm schwebte dabei ein echtes Multitasking System vor, aus dem dann Exec entstand.

Doch noch immer war nicht klar, wie der Amiga auftreten sollte. Jay selbst wollte einen Computer entwickeln, der starke Ähnlichkeiten mit dem späteren Amiga 2000 hatte und dem Anwender eine große Ausbaumöglichkeit bot. Die grafischen Fähigkeiten sollten jedoch ebenso fortschrittlich sein und Miner begann sich mit den Aufgaben eines Blitters zu beschäftigen. Das Wort Blitter ist eine Abkürzung für Block Image Transferer (Grafikblockverschieber) und ist in der Computerwelt seit den frühen Modellreihen der Firma XEROX bekannt. Im Grunde ist der Blitter dazu bestimmt Daten innerhalb des RAM schnell zu bewegen oder zu modifizieren, ohne dafür den Hauptprozessor in Anspruch zu nehmen. Somit konnten beispielsweise bewegliche Grafiken in den Speicher geschrieben werden, die bei anderen Computern erst mit Hardwaresprites möglich waren (und zusätzliche Register oder Speicherbereiche benötigten). Jay Miner rief aus diesem Grunde bei seinem Freund Ron Nicholson an, den diese Aufgabe interessierte. Schnell wurden sie sich einig und Ron stieg ebenfalls bei Amiga, Inc. ins Boot. Während einiger Brainstorms kamen sie auf weitere Funktionen, die der Blitter, aber auch die anderen Chips bereitsstellen sollten. Beispielsweise bat Dale Luck um eine Line Drawing Funktion, die zuvor nicht vorgesehen war. Mit dieser konnte der Amiga Linien zwischen zwei Bildpunkten extrem schnell berechnen. Jay hatte jedoch für diese Bitte keine Zeit, der Amiga sollte in zwei Wochen auf der bevorstehenden CES zum ersten Mal dem Publikum vorgeführt werden. Dale Luck ließ jedoch nicht locker und benannte auch die Register, die dafür notwendig waren. Jay Miner gab daraufhin seinen Widerstand auf und implementierte das Line Drawing noch vor der CES.

Insgesamt benötigte das Team zwei Jahre, um die Customchips des Amiga zu entwerfen, während die Softwareabteilung an den Amiga-Libraries und den Grundfunktionen werkelte. Dabei hatten sie die beinahe unmögliche Aufgabe ein Betriebssystem zu einem Computer zu entwickeln, der sich einerseits von allen bisherigen grundlegend unterschied und zum anderen noch gar nicht existierte. Waren neue Funktionen durch die Hardwareabteilung entwickelt worden, wurde die Betriebssystemabteilung über die neuen Funktionen unterrichtet. Da die Customchips, aber auch der Rest des Systems höchstens als Steckplatine existierte, war die richtige Beschreibung enorm wichtig. Die Ingenieure mussten die korrekten Registereinträge mitteilen, damit der Programmcode auch an den richtigen Adressen zugreifen konnte.

Überhaupt sah der erste Prototyp weit weniger imposant aus, wie der endgültige Amiga 1000. Das System bestand aus etlichen Steckplatinen, die die Customchips simulierten und mit etlichen Metern Kabel verdrahtet waren. Allein der Agnus Chip bestand aus 24 Steckplatinen, die jeweils bis zu 250 Chips besaßen. Ebenso brauchten auch Paula und Denise den gleichen Platz, die damals allerdings noch auf die Namen Daphne und Portia hörten. Je mehr Platinen in das System hinzugefügt wurden, desto schwieriger war die Erhaltung der Funktionssicherheit. Hinzu kam ein typisches Phänomen des Silicone Valley: Industriespionage.

Sämtliche Unternehmen waren darauf bedacht ihre Geheimnisse für sich zu behalten, bis der Schleier gelüftet wurde. In den Gründungszeiten der Computerära war dies sicherlich mehr als wichtig. Ein Konkurrent, der die Systemeigenschaften eines Mitbewerbers kannte, war in der Lage diese zu kopieren und in seinem eigenen System zu implementieren. Jay, der bei Atari gearbeitet hatte, kannte dieses Problem nur zu gut. Amiga Inc. begann daher Perepherie für damals bestehende Computer und Konsolen zu entwerfen (u.a. das Joybard). Für die Konkurrenz sah Amiga Inc. wie ein gewöhnlicher Dritthersteller aus, der sich mit Joysticks ein wenig Geld dazuverdienen wollte und war daher nicht weiter interessant. Noch heute ist ein subtiles Überbleibsel aus der “Joystick-Ära” vorhanden: die Guru-Meditation.

Das Joyboard war ein Joystick, auf dem der Spieler stehen konnte und wurde in diesem Moment dazu gebraucht, einen Cursor in der Mitte des Bildschirms zu platzieren. Dazu benötigte man eine gute Körperhaltung, Geduld und gute Nerven. Und grad diese lagen zuvor sicherlich blank, wenn man Fehler aus Prorgammzeilen eliminieren sollte, die den Amiga abstürzen liessen. Der Spieler setzte sich dann mit gekreuzten Beinen auf das Joyboard und ähnelte dabei einem indischen Guru. Insider hatten dann sofort verstanden, dass der Programmierer an der Beseitigung eines Bugs arbeitete. Carl Sassenrath bemerkte später einmal, dass dies die Antwort des Amiga-Teams auf die Macintosh-Fehlermeldungen war. Diese benutzten kleine Bomben. Allerdings konnte der Amiga, bis zum Auftauchen des ROM-Debuggers WACK keine genaue Meldung ausgeben, also nicht auf den fehlerhaften Bereich hinweisen. Man kann sich vorstellen, wie frustrierend zu Beginn die Fehlersuche war.

Intern hingegen begann man mit der Entwicklung eines Mainboards, der die Customchip-Steckplatinen aufnehmen konnte. Der erste Schritt zur Produktion war damit geschafft. Jay Miner nahm diese frühe Entwicklungsstudie, mitsamt einiger Demoprogramme mit auf die CES Messe im Januar 1984, die in jenen Tagen beginnen sollte. Vor ausgesuchtem Fachpublikum (Mitarbeiter von Sony, Philips, Hewlett Packard, aber auch Apple), abseits vom normalen Besucherverkehr, führte er seine eigene Maschine vor. Um die Leistungsfähigkeit noch stärker zu demonstrieren, entwickelten die mitgereisten Amiga-Mitarbeiter noch auf der Messe die berühmte Bouncing-Ball Demo, die alles in den Schatten stellte, was das selektierte Publikum zuvor jemals gesehen hatte. Diese ersten “Jünger” waren dabei keine Laien, sondern durchaus anerkannte Spezialisten auf ihrem Gebiet und diese konnte nur schlucken. Die Demo selbst stellte einen springenden Ball dar, der mit glasklarem Sampling den Aufprall hörbar machte. Aufgenommen wurde das Geräusch von Bob Parasseau, der einen Schaumstoffball gegen ein Garagentor prallen liess und dieses Geräusch per Apple II digitalisierte. Kein Zweifel, Jay hatte hier etwas bisher einmaliges geschaffen und Miner wusste das! Jay Miner wollte sich allerdings nicht in erster Linie mit dem Amiga profilieren: vielmehr ging dem jungen Unternehmen das Geld aus und er benötigte dringend neue Investoren. Der Prototyp und seine Leistung sollte für eine Finanzspritze wie geschaffen sein. Doch trotz staunendem Gachpublikums: der Geldsegen blieb aus. Amiga Inc. sah sich gezwungen etliche Hypotheken aufzunehmen, um die Mitarbeiter zu bezahlen, die zu jener Zeit aus 20 Personen bestand. Sogar sein eigenes Haus belastete er mit einer Hypothek, um die monatlichen Kosten bezahlen zu können. Jay wusste um die Situation seines Unternehmens nur zu gut Bescheid und sah sich gezwungen einen schweren Gang auf sich zu nehmen.

Er wandte sich an seinen alten Arbeitgeber Atari, angeführt durch Jack Tramiel, einem gewieften Manager, der auch schmutzige Tricks anwandte, wenn seine Position dadurch gebessert wurde. Dieser musste zuvor Commodore, eine Firma, die er selbst gegründet hatte verlassen und sah mit dem Aufkauf von Atari die Chance seinem alten Unternehmen die Stirn zu bieten. Tramiel und sein Unternehmen gewährten Jay einen Kredit über 500.000 $, die allerdings an eine Klausel gebunden war. Jack Tramiel selbst hatte über den neuen Amiga Computer erfahren und war seinerseits daran interessiert diesen seinem Unternehmen einzuverleiben. Atari gewährte Amiga das besagte Geld, wenn beide Firmen innerhalb eines Monats zu einem Vertrag zusammenfinden könnten, der über das Schicksal des Chipsatzes des Amigas befinden würde. Sollte keine Einigung gefunden werden, wäre Amiga, Inc. vertraglich dazu verpflichtet, die 500.000 $ sofort zurückzuzahlen. Jay und seine Mitarbeiter wussten, dass dieser Knebelvertrag für sie selbst das Aus sein würde. Die prekäre Finanzsituation liess jedoch keinen Spielraum und Amiga, Inc. stimmte zu. Der dann zustande kommende Vertrag sah vor, dass Atari das kleine Unternehmen aufkaufen würde, zu einem Dollar je Aktie. Natürlich lehnte Amiga dies sofort ab, allerdings wusste Jack Tramiel, dass ihm irgendwann das Unternehmen, bedingt durch den Kredit, auch so zufallen würde und begann ein sadistisches Spiel. Statt nun also die Summe pro Aktie zu erhöhen, begann Tramiel weniger zu bieten: 85 Cent pro Anteilsschein! In letzter Sekunde hörte auch Commodore von diesem Desaster und sah die Chance es nun seinem ehemaligen Leiter heimzuzahlen. Mit einem Kaufpreis von 4,25 $ stach Commodore Atari aus und übernahm Amiga, Inc. für 27 Millionen Dollar, das schon kurze Zeit später nach Los Gatos übersiedelte.

Jack Tramiel war außer sich, sah er sich doch um seine Chance gebracht einen neuen Computer präsentieren zu können, der Commodore sicherlich Schwierigkeiten bereitet hätte. Sein altes Unternehmen erkannte jedoch, dass sie etwas bekommen hatten, das mehr wert war, als die reinen Chipsätze: sie hatten die dazugehörigen Entwickler, die den Amiga auch weiterführen konnten. Sicherlich konnten das die hauseigenen Ingenieure auch, aber das Amiga-Team war bereits fest zusammengeschweißt und hatten einen Leitwolf: Jay Miner. Deshalb unterstellten sie Jay und sein Team keiner bisherigen Abteilung innerhalb der Firma, sondern ließen sie arbeiten, wie bisher.

Jedoch war der Einfluss des neuen Eigentümers deutlich zu spüren. Jay hatte zwar nach wie vor die Kontrolle, allerdings begann der Vorstand mit kleinen Änderungen bezüglich des Computers Forderungen zu stellen. Begonnen hatte es mit einer Kleinigkeit: der Präsident von Commodore dachte an die Möglichkeit das Keyboard in das Gehäuse einschieben zu lassen, damit es auf dem Tisch weniger Stellfläche beanspruchen würde. Wie erwähnt, im Grunde eine Kleinigkeit. Allerdings benötigte diese Designänderung auch Änderungen am Mainboard, die die Veröffentlichung um satte 12 Monate nach hinten warfen. Als dies soweit funktionierte, bestand nun Commodore darauf, dass der Amiga nicht mehr als 256 KByte Speicher benötigte. Dies lag damit zusammen, dass Speicher zu dieser Zeit äußerst kostspielig war. Jay war damit nicht einverstanden und dies auch zurecht, wenn man bedenkt, dass der Amiga mit Grafiken hantieren sollte, die diesen Platz benötigten. Jeden Tag “erfand” Miner weitere Probleme, die eine Reduzierung des RAM mit sich bringen würde. Zuvor hatte Jay Miner dieses Problem bereits einmal lösen müssen. Als der Videospielmarkt zusammenbrach wollten seine damaligen Investoren aus der Konsole einen Computer entwickeln lassen, allerdings nur mit 64 KByte Speicher. Jay verhandelte hart und konnte schliesslich die Investoren davon überzeugen, dass 128 KByte das aboslute Limit wären. Er änderte den Aufbau allerdings so, dass es jederzeit möglich war die Speicherchips auszutauschen und den Amiga wieder auf 512 KByte aufzurüsten. Nun stand er wieder vor dem gleichen Problem. Dave Needle ersann jedoch eine Lösung, die beide Parteien zufrienden stellen würde. Der Amiga 1000 besaß einen Cartridgeport, der Module aufnehmen sollte. Diesen legte er nach vorne und so konnte der Amiga 1000 einfach aufgerüstet werden. Jay Miner war noch immer strikt dagegen und versuchte ein Machtwort zu sprechen. Als er sich sicher war, dass dies die endgültige Antwort wäre, nahm er sich Urlaub und glaubte, das Problem wäre gelöst. Dave Needle übergab seinen Vorschlag allerdings an den Vorstand, die diesen dann auch annahmen und als Jay wieder aus dem Urlaub zurückkehrte, stand er fassungslos vor der Entscheidung. Dieser Umbau kostete erneut sechs Monate, die um so schmerzlicher waren, als es sich herausstellte, das die RAM-Preise gesunken waren und der ursprüngliche Bedarf kostengünstig zu decken war. Zudem erkannte nun auch der Vorstand, dass der Amiga 1000 mit 256 KByte deutlich an Potential verlieren würde, doch nun war es zu spät und der Computer musste mit diesem Manko leben. Von diesen Problemen war die Softwareabteilung nur am Rande betroffen und RJ Mical war selten auf den Fluren, geschweige denn zu Hause anzutreffen. Jay gab ihm seine Freiheiten und dieser schaffte es die gesamte Oberfläche des Betriebssystems fast im Alleingang zu entwickeln.

Der Amiga war fertig! Jay Miner und sein Team musste zwar mit einigen Kompromissen leben, allerdings war dies um Längen besser, als die Vorstellung, dass Atari den Amiga zerfleddert hätte. Erhärtete Fronten gab es nur bei der RAM Größe, die ein limitierender Faktor war. Zwar gesellte sich auch die Softwareabteilung auf die Befürworter von 512 KByte, doch der Vorstand änderte seine Meinung nicht mehr. Auch die Diskussion bezüglich des Erweiterungssteckplatz wurde nach langen Verhandlungen beendet. Zu Beginn sollte der Erweiterungssteckplatz auf der Gehäuseoberseite liegen und Erweiterungen auf dem Gehäuse Platz finden lassen. Jedoch einigte man sich auf seitliche Erweiterungen, allein schon aus Kostengründen. Der Amiga wurde ein Traumcomputer schlechthin, seit dem Tage seiner Veröffentlichung. Mit der Eröffnungspräsentation in New York, gemeinsam mit Debbie Harris (Blondie), als auch Andy Warhol, zeigte man die Leistungsfähigkeit des Amigasystems. Dem alten Amigateam war klar, dass es nun auch an der Zeit war Händler und Entwickler direkt zu betreuen, damit weitere Perepherie entwickelt würde. Commodore sah dies jedoch nicht so, waren sie es gewöhnt wichtige Erweiterungen selbst zu entwickeln und den meisten Profit einzustreichen. Daher verbot die Chefetage eine personelle Erweiterung des ursprünglichen Teams und begann sogar Personal aus der Gruppe abzuziehen. Jay versuchte Big C zu überzeugen, dass der Amiga 1000 noch nicht das Ende der Entwicklung sein würde und ein erweitertes Modell mit senkrechten Steckplätzen das System erheblich professioneller aussehen lassen würde. Commodore hatte jedoch zu diesem Zeitpunkt kein Interesse, was wohl auch an den dürftigen Verkäufen lag. Der Amiga war einfach zu teuer und wurde zudem falsch vermarktet. Er hatte seine Ursprünge im Videokonsolenbereich, das Unternehmen wollte den Computer allerdings als seriösen Businesscomputer vertreiben. Eine harte Fehleinschätzung, wenn man bedenkt, zu was der Amiga grafisch fähig war, von seinen Soundeigenschaften ganz zu schweigen. Doch nicht nur kam es, seitens des Unternehmens, zu fatalen Fehleinschätzungen: Commodore, ein seriöses Unternehmen, störte sich zusehend an den Spleens und Ticks der Entwickler, was zur Folge hatte, dass immer mehr Restriktionen eingeführt wurden. Die Hippie-Ära war vorbei.

Allerdings hatte Commodore schon bald ein Einsehen, dass der Amiga in seiner damaligen Form keine Chance auf dem Markt hatte und begann in zwei Abteilungen einen Low Cost- aber auch eine High-End-Maschine zu entwickeln. Jay Miner war begeistert über die Richtung, die man nun mit dem Amiga 2000 einschlug. Endlich war es möglich den Computer nach seinen eigenen Vorstellungen aufzurüsten. Dies hatte schon dem Apple II zu seinem Erfolg verholfen. Jay Miner entwickelte zusätzlich eine automatische Konfiguration für die Steckplätze, die eine Einbindung über Treiberdateien nicht notwendig gemacht hätte. Wie schon bei vielen Entwicklungsideen zuvor war der Vorstand überhaupt nicht angetan von einer Idee, die den Herstellungspreis in die Höhe trieb: in diesem Falle um 50 Cent! Jay Miner hatte jedoch einen Verbündeten, in Form von Rick Geiger, dem Abteilungsleiter.

Dieser vermittelte immer zwischen beiden Parteien und schirmte Jay und seine Mannschaft immer gut von vielen Forderungen der Unternehmensführung ab. Dafür allerdings musste Jay ab und an auch gute Mine zum bösen Spiel machen und Dinge einbauen, die Commodore nicht verhandeln wollte. Dazu gehörte auch eine MS-DOS Kompatibilität, die Geiger versprach und nicht einhalten konnte. Wenn immer Jay in darauf ansprach, versicherte er den Termin halten zu können. Commodore selbst glaubte an ihn und begann Werbung zu schalten. Der Termin kam immer näher und nichts passierte. Jay Miner selbst war nie ein großer Fan einer MS-DOS Kompatibilität und unterstrich immer wieder, dass der Amiga ein gänzlich anderer Computer sei. Jay wollte, dass der Amiga besser ist und nicht ein Clone einer bestehenden Maschine. Er selbst sah den Amiga als überlegenen Computer, allein schon durch das Betriebssystem, das deutlich benutzerfreundlicher war, als MS-DOS. Als dann mit dem Sidecar eine Hardwarelösung erschien, an der Jay Miner jedoch nicht beteiligt war, stellte sich heraus, das diese zwar ein interessanter Ansatz, allerdings auch völlig fehlerbehaftet ist.

Weitaus problematischer war dabei, dass die lange Entwicklungsphase auch den Zustrom an Drittprodukten einbrechen liess. Der Amiga war zu teuer, wenige besaßen ihn und die angekündigten Zusatzgeräte existierten auch nicht. Viele Entwickler überdachten daher ihre Lage und wechselten lieber zu PC und Apple und gaben Jays Traum einen ersten Tritt. Commodore wurde es zu bunt und sie forderten die Entwickler auf in ein anderes Entwicklunsgbüro an der Ostküste zu wechseln, allerdings waren diese damit nicht einverstanden, was auch nicht unverständlich war. Die meisten Fertigungsstätten standen in Kalifornien und man war am digitalen Puls der Zeit. Neueste Techniken konnten hier sofort genutzt werden. Das Unternehmen löste daraufhin das gesamte Amiga-Entwicklungsteam in Los Gatos endgültig auf. Jay Miner konnte es nicht fassen, dass ein solch gut eingespieltes Team auseinandergerissen wurde. Die Geburtsstätte des Amigas war fort. Zwar erhielten alle weiterhin Verträge, allerdings für beratende Funktionen, die zusätzlich auch noch befristet waren. Zudem trug die fehlerhafte Werbung nicht zum Erfolg des Amigas bei, stattdessen übernahm der PC die weltweite Führung.

Jay Miner fühlte sich wie ein Vater, dessen Kinder nicht den erhofften Weg einschlagen konnten. Die gleichen Gefühle hatte er auch für seine entworfenen Atarimodelle, doch der Amiga war sein bevorzugtes Kind. Als die Produktion des Amiga 500 und Amiga 2000 begann, entwickelte Jay weitere Chips für die Amigamodellreihe, die dem Amiga erweiterte Fähigkeiten bieten sollte. Grundlegende Ideen wurden dabei in dem erweiterten Chipsatz übernommen, der dann im Amiga 500+ und Amiga 3000 Verwendung finden sollte. Allerdings war Miner immer unzufriedener über die vertraglichen, aber auch entwicklungstechnischen Grundlagen bei Commodore. Die Richtung tendierte immer weiter von seinem ursprünglichen Grundgedanken weg. Er erkannte die Zeichen der Zeit und sah ein, dass Commodore auf seine Vorschläge nicht eingehen würde. Das Unternehmen hatte ihm zwar vor Atari gerettet, ist aber mit der Zeit dem Unternehmen immer ähnlicher geworden. Für sie zählte nur der Profit, nicht aber der Geist der Maschine. Dies war der Punkt, an dem Miner das Unternehmen verließ. Er wechselte 1989 zu Ventitrex, einem biotechnologischen Unternehmen in Sunnyvale. Dort arbeitete er an einem Defillibrator, einem Gerät das elektrische Schockimpulse geben konnte und in der Notfallmedizin genutzt wird. Es sollte das letzte Geraät sein, dass Jay Miner entwickeln würde, denn seine Nieren begannen immer schlechter zu arbeiten. Seine Ärzte empfahlen ihm eine Nierentransplantation. Joyce Beers, seine Schwester, zögerte nicht und spendete ihrem Bruder eine Niere, die 1990 auch sofort eingesetzt wurde. Diese half Jay Miner noch weitere vier Jahre zu leben.

Bei vielen Gelegenheiten interessierte er sich noch immer für sein Kind und war auch auf zahlreichen Messen zugegen und war dafür bekannt offen und ehrlich seine Meinung zu den neuesten Produkten zu offenbaren. Dies sollte ihm nicht schwerfallen, schliesslich stand er nicht mehr unter Vertrag und konnte so seinem Ärger auch etwas Luft machen. Er empfand beispielsweise den Einbau einer IDE-Festplatte im Amiga 4000 als großen Fehler, ja, sogar als Rückschritt gegenüber der SCSI-Variante, die zuvor in den Amiga-Modellen Platz fand. Trotz allem war er auch auf diesen Enkel stolz und plante die Anschaffung solch eines Computers. Störend waren für ihn allerdings die nicht verbesserten Soundeigenschaften, da diese seit Jahren auf dem selben technischen Stand waren. Jeder, der Jay Miner einmal kennengelernt hatte, erinnerte sich gern an ihn und es gab bestimmt etliche Jünger des Amiga, die ihm gern die Hand geschüttelt hätten. Doch Jay Miner hatte keine Zeit mehr, diese Menschen kennenzulernen. Am 20.6.1994 versagten seine Nieren endgültig und der große Vater des revolutionären Amiga fand seine letzte Ruhe. Nur wenige Entwickler würden zu solch einem Denkmal innerhalb der Computerszene werden. Einzig Steve Wozniak konnte hier mithalten.

(Quelle: Historycorner.de)

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