Amigaland

1999 Der Amiga ist nicht totzukriegen

1998 / 99 - Der Amiga ist nicht totzukriegen

1997/98: Der Amiga ist nicht totzukriegen – auch die dritte Krise nach den Finanzschwierigkeiten der ursprünglichen Amiga Inc. und dem Konkurs Commodores 1994 wird überstanden: Nach langwierigen Verhandlungen zwischen Escoms Konkursverwalter und den diversen Firmen, die Kaufangebote unterbreiteten, erhält überraschend der amerikanische PC-Riese Gateway2000 den Zuschlag für sämtliche Rechte an der Amiga-Technologie sowie die verbliebenen Geräte. Während der Konkursverhandlungen setzte die AMIGA Technologies GmbH i.K. mit Minimalbesetzung den Verkauf von Amiga-Computern fort. Die AMIGA Technologies GmbH unter Petro Tyschtschenko (davor bei Commodore Deutschland) setzt ihre Arbeit unter dem neuen Namen »AMIGA International Inc.« (AI) als hundertprozentige, aber weitgehend eigenständige Tochterfirma von Gateway2000 fort, es geht wieder aufwärts. Während AMIGA International für Verkauf und Marketing verantwortlich zeichnet, gründet Gateway2000 eine zweite Tochterfirma in den USA: AMIGA Inc., zuständig für Research & Development, die neue Amiga-Entwicklungsabteilung. Geleitet wird sie von Jeff Schindler, der zuvor bei Gateway2000 eine Kombination aus PC und Fernseher entwickelte. Da Gateway2000 im Gegensatz zu Escom ausschließlich den Amiga gekauft hat, nicht aber die Rechte am Namen »Commodore«, hofft die Amiga-Gemeinde, daß damit auch der Fluch von ihrer “Freundin” genommen wurde – und in der Tat ließ bisher bei den Folgeinhabern des Commodore-Namens der finanzielle Niedergang nicht lange auf sich warten. Strittig bleiben die Amiga-Rechte für China – sie wurden unmittelbar nach ihrer Ersteigerung durch Escom weiterverkauft und befinden sich mittlerweile im Besitz der Firma »Lotus Pacific«. Sie stellt den A6000-WonderTV vor – ein Amiga als Multimediagerät fürs Wohnzimmer: Heimcomputer, 32-Bit-Spielekonsole, Internet-Zugang, Abspieler für MPEG-Video-CDs, Photo-, Audio- und Karaoke-CDs, mit Office-Software, als Computer erweiterbar – und all das zu einem sehr niedrigen Preis. Ein großer Fortschritt unter AI gegenüber ihren Vorgängern ist die Vergabe von Lizenzen – erstmals ist es anderen Firmen möglich, Spezialchips und das Betriebssystem zur Herstellung eigener Amiga-Klone zu verwenden. Ankündigungen neuer Amiga-kompatibler Computer mit dem offiziellen “powered by Amiga”-Label schießen aus dem Boden, die Ansätze sind unterschiedlich. Die Palette erstreckt sich, um nur einige Beispiele von Klon-Herstellern zu nennen, von mit Extras versehenen A1200-Boards in Towergehäusen (Micronik) über neue, an den Amiga 4000 anknüpfende Designs (A5000, A6000 – DCE) und gänzlich neue Motherboards (»Access«, »Boxer« – Index Information) bis hin zum High-End-Amiga von Phase 5 Digital Products, Arbeitsname »Pre\Box«: Ein neuer Rechner mit 4 (!) PowerPC-CPUs und AmigaOS. 15. Mai 1998: Auf der “World of Amiga” in London gibt Jeff Schindler, General Manager von Amiga, Inc., erste Hinweise auf die Zukunftspläne. Motto: “AMIGA kicks off the future!”. Ziel sei es, durch einen großen Sprung in einem Schritt dorthin zu kommen, wo der Amiga ohne fünfjährigen Entwicklungsstopp etappenweise Ende 1999 angelangt wäre. Es erfolgt somit ein Bruch, die bisherigen, auf Motorolas 680×0-Prozessoren basierenden Amigas von Commodore und dazu kompatible Lizenz-Rechner sind nunmehr “Amiga-Classic”. Das zunächst projektierte Betriebssystem-Update AmigaOS 3.5 wird es nicht geben – zumindest nicht von AI, da man alle Kapazitäten auf das AmigaOS der neuen Generation konzentrieren will. Der radikale Bruch mit den bisherigen Systemen und dem entsprechenden Zubehör-Markt stieß bei vielen Entwicklern nicht gerade auf uneingeschränkte Begeisterung. Positiver Effekt aber war, daß Phase 5 und Haage&Partner ihre Querelen bezüglich der PowerPC-Software für die PowerUp-Turbokarten von Phase 5 einstellten und nun gemeinsam an einer zweiten Schiene neben den Plänen von AI für die Zukunft des Amiga-Computers arbeiten. Somit gibt es also auch für die Classic-Amigas eine schrittweise Weiterentwicklung auf Grundlage der PowerUp-Boards bzw. künftiger PowerPC-Amiga-Clones von Phase 5. Die Pläne von Amiga, Inc. sehen vor, auf einen neuen Prozessor zu migrieren – jedoch nicht, wie erwartet, auf Motorolas PowerPC-CPU, sondern auf einen noch geheimen Superchip, der zugleich unglaubliche Multimedia-Fähigkeiten in sich vereint. Dieser Prozessor nun soll nicht nur weitaus leistungsfähiger sein als PC-HighEnd-Systeme, sondern sogar zudem auch wesentlich billiger. Für Verwirrung sorgte zunächst, daß AmigaOS 4.0 auf Intel-kompatiblen Prozessoren laufen soll. Nach dem ersten Aufschrei des Entsetzens, der durch die Amiga-Gemeinde ging, klärte sich jedoch auf, daß dies nur eine Übergangslösung ist: AmigaOS 4.0 ist nur für Entwickler gedacht und nicht für den End-User. Da nämlich die Entwicklungsumgebung für den künftig im Amiga werkelnden Superprozessor nur für den PC existiert, dort also der Superprozessor, den es bisher nur als Prototyp gibt, emuliert wird, müssen die Software-Entwickler ihre Programme für den “Amiga-II” bis zu dessen Erscheinen zunächst auf normalen PCs schreiben. AmigaOS 5.0 aber, das eigentliche neue Betriebssystem, zu welchem AmigaOS 4.0 auf dem Entwicklersystem nach und nach entwickelt wird, erscheint dann auf dem neuen “Amiga-II”-System (eine offizielle Benennung steht noch aus). Die Entwicklungs-PCs mit dem Übergangs-Betriebssystem AmigaOS 4.0 sollen ab November 1998 erhältlich sein, der “Amiga-II” soll Ende 1999 fertiggestellt sein. Kommentar von “Mr.Exec”, Carl Sassenrath, Mitglied der ursprünglichen Amiga-Entwickler-Crew, dem AmigaOS das Multitasking verdankt: “I would never have believed it, had I not been there and seen it with my own eyes. This technology really seems to be the best match for the Amiga philosophy, one that meets high-end expectations at low-end price. It will be fun to again see the Amiga blow the socks off everything else thats out there.” 03. Oktober 1998: Amiga Inc. gibt bekannt, daß es doch ein AmigaOS 3.5 für die “Classic”-Linie geben wird. Erscheinungszeitraum: erstes Quartal 1999. Zwanzig Firmen seien an der Entwicklung beteiligt, die Koordination erfolgt durch Fleecy Moss von Amiga Incorporated. Es wird auf CD-ROM veröffentlicht, aufsetzend nach wie vor auf den 3.1er Kickstart-ROMs. Die Version 3.5 wird Internet-Software enthalten und PowerPC-Turbokarten unterstützen. 13.November 1998: Auf der Computer`98 in Köln, der alljährlich größten Amiga-Messe der Welt, gibt AI eine Allianz mit QNX Software Systems Ltd. (QSSL) für die Entwicklung des AmigaOS 5.0 bekannt. Wie eine auf der QSSL-Homepage downloadbare Demo-Disk eindrucksvoll beweist, ist die QNX-Architektur ähnlich effizient wie das AmigaOS. Zudem bietet QNX mit seiner Skalierbarkeit auf Microkernel-Ebene beste Voraussetzungen für die von Amiga Incorporated angestrebte weite Produktpalette von der Settop-Box bis zur Workstation. Mein Bericht von der Pressekonferenz (in Englisch) findet sich u.a. in den CUCUG-Aminews. 26.Februar 1999: Das Amiga-Hauptquartier zieht um nach San Diego, Kalifornien. Die bisher selbständigen Gateway-Töchter Amiga Inc. (Research & Development, USA) und Amiga International Inc. (Sales & Marketing, Deutschland) werden nun zu einem einzigen Unternehmen zusammengefaßt, welches weiterhin hundertprozentige, aber selbständig operierende Tochterfirma von Gateway bleibt. Neuer Gesamt-Amiga-Chef wird Jim Collas, ehemaliger Senior Vice President von Gateway. Jeff Schindler und Petro Tyschtschenko bleiben in ihren bisherigen Positionen als Manager für Produkt-Strategie bzw. für Verkauf und Marketing. In Kürze wird zudem das Software-Entwicklungszentrum in San Jose, Kalifornien, unter der Leitung von Dr. Allan Havemose, Vice President of Engineering und Leiter der Betriebssystem-Entwicklung seit AmigaOS 2.1, seine Tätigkeit aufnehmen. Sein Silicon-Valley-Team wird in nächster Zeit rapide aufgestockt werden, um auf Grundlage des Echtzeit-Kernels Neutrino von QNX SSL das revolutionäre neue Betriebssystem AmigaOS 5.0 zu entwickeln. 12.März 1999: Auf der Amiga`99 in St. Louis hat die Amiga-Gemeinde erstmals die Möglichkeit, Jim Collas persönlich kennenzulernen – und alle sind sich einig: er ist der Mann, auf den wir gewartet haben. Er hinterläßt einen durchweg positiven Eindruck – und was das wichtigste ist: als ehemaliger Senior Vice President von Gateway steht nun jemand an der Spitze von Amiga, der auch alle Vollmachten hat; sein Wechsel zu Amiga ist auch äußeres Zeichen für den Umstand, daß seit Jahresbeginn nun endlich Gateway voll hinter den Plänen von Amiga Inc. steht. News von der Amiga-Show: Die Entwicklung von OS 3.5 obliegt nun gänzlich der deutschen Amiga International Inc., die Ausführung leitet die Amiga-Software-Firma Haage&Partner. Als Erscheinungszeitraum wird August genannt, der Preis soll bei knapp hundert Mark liegen. Bei entsprechenden Verkaufszahlen des Updates ist eine weitere Fortsetzung der “Classic”-Linie möglich – offenbar auch hin zu neuen “PPC-only”-Rechnern. Dank des 68k-Emulators von Haage&Partner soll anscheinend eine schrittweise Portierung des originalen AmigaOS von Motorolas 680×0-Prozessoren zu deren PowerPC-Familie erfolgen. Entsprechend ist es gut möglich, daß die Welt künftig gleich zwei parallele Linien von Amiga-Systemen sehen wird. Denn auch die Entwicklung des neuen AmigaOS 5.0 schreitet voran, Amiga Inc. stellt nun viele neue Entwickler ein. Im September soll die Entwicklermaschine mit “AmigaSoft 4.0 Alpha” für Software-Entwickler erscheinen, damit zum Erscheinen der ersten Next-Generation-Amigas zum Jahresende 1999 bereits einiges an Software zur Verfügung steht. Die ersten AmigaNG-Rechner sollen Multimedia-Computer in der Tradition des Amiga 500 sein, Jim Collas sprach von 500-Dollar-Systemen mit der Leistung von 3000-Dollar-PCs. Als Betriebssystem kommt eine Beta-Version des AmigaOS 5.0 zum Einsatz, die endgültige Fassung soll im zweiten Quartal 2000 fertiggestellt sein. Am 16.März wurde dann auch im Internet der Zusammenschluß der alten Amiga, Inc. aus South Dakota, USA, und der Marketing-Firma Amiga International, Inc. aus Langen, Deutschland, zur neuen Amiga, Inc. mit Hauptquartier in San Diego, Kalifornien, vollzogen – die Adressen www.amiga.com und www.amiga.de sind nun identisch, verantwortlich für die Gesamt-Amiga-Homepage zeichnet die deutsche Amiga International, Inc. 25.Juli 1999: Auf der “World of Amiga” in London legen Jim Collas und sein Team noch einmal ihre Strategie dar, wie sie einige Tage zuvor auch auf Amigas Website im “Technologie-Brief” vorgestellt wurde. Demnach stellt künftig nicht, wie ursprünglich vorgesehen, QNX die Grundlage des neuen “Amiga Operating Environment”, sondern Linux. Der Grund für diesen Wechsel trotz der technologischen Überlegenheit und weit größeren philosophischen Nähe zum AmigaOS von QNX zu Linux ist rein marketingtechnisch zu sehen, nicht technisch. Ein weiterer Grund könnte natürlich auch der neue Zentralprozessor sein. Trotzdem Amiga Inc. die CPU des neuen Amiga MCC (“Multimedia Convergence Computer”) noch immer nicht offiziell bekannt gegeben hat, weisen die kaum noch subtil zu nennenden Andeutungen doch klar auf die derzeit geheimnisumwittertste Prozessorfirma überhaupt: Transmeta. Der Chip von Transmeta ist insbesondere im Hinblick auf die Emulation fremden Codes legendenumwoben. Und zwar ist dieser VLIW-Prozessor in der Lage, fremde Instruktionssets zu übersetzen und in nativer Geschwindigkeit auszuführen. Als Beispiel wurde auf der WOA bei einer Präsentation gesagt, daß er z.B. einen Block von acht x86-Opcodes als bloß zwei eigene Instruktionen ausführt. Unter anderem arbeitet für Transmeta auch der “Vater” des Betriebssystems Linux, Linus Torvalds. Angeblich ist er auch an den Anpassungen des Linux-Kernels für das neue AmigaOE beteiligt. Der Amiga MCC soll zum Jahresende herauskommen. Das Gehäuse ist auf den ersten Blick videorekorderartig, schwarz, mit zwei der sieben USB-Ports vorne links, rechts dem Einschaltknopf und mittig zentriert schließlich oben das DVD-Laufwerk und darunter ein Schacht für optionale Laufwerke (weitere Daten siehe Technologie-Brief in der Rubrik “Executive Update” auf Amigas Website; in Kürze soll offenbar auch der URL www.amigamcc.com genutzt werden). Insgesamt wird ein Absatz an Amigageräten (also nicht bloß MCCs, sondern alle möglichen AmigaOE-fahrenden Produkte) für die nächsten 5 Jahre von 60 Millionen Geräten erwartet. Es werden parallel zum MCC auch reine Motherboards verkauft, sodaß Händler und Endkunden auch eigene Gerätekonfigurationen in Standard-PC-Gehäusen zusammenstellen können. AmigaObjects soll auf einer weiten Reihe von Systemen laufen, von Computern bis zu DVD-Spielern, Stereo-Anlagen, Fernsehern, Palmtops, et cetera – und alles zusammen erscheint dann für den Anwender als ein einziges zusammenhängendes System. Das OS soll nicht einfach eine weitere Linux-Distribution sein, bloß ein schmaler, angepaßter Linux-Kernel soll verwendet werden. Das Entwicklersystem aber, das ebenfalls zum Jahresende herauskommt, wird als eine komplette Linux-Distribution mit dem aufgesetzten AmigaOE erscheinen, damit die Entwickler auf existierende Linux-Entwicklertools zurückgreifen können. AmigaOS 3.5 verzögert sich ein paar Wochen. Wenn es sich gut verkauft, wird es weitere Versionen geben – wenn nicht, wird 3.5 das allerletzte OS-Update für die Original-Amigas bleiben. Im Vorfeld der WOA schließlich hat der Amiga-Zubehör-Entwickler Phase 5 bekanntgegeben, daß man das neue Neutrino-Betriebssystem von QNX SSL auf die aktuellen und kommenden PowerPC-Turbokarten für die bisherigen Amigas umsetzen wird und zugleich einen neuen Computer namens Amirage auf PPC-Basis und mit Neutrino als Betriebssystem angekündigt. Da dieses System weit eher dem “Amiga-Spirit” entspricht und das darstellt, was sich die Amiga-Gemeinde als Amiga der nächsten Generation erhofft hat, wurde diese Ankündigung von vielen Amiganern, die von Amigas geplanter “Linux-Box” enttäuscht sind, mit großer Begeisterung aufgenommen. 16.August 1999: Eine Bombe platzt: Die den Amiga-Usern bisher völlig unbekannte Firma IWIN bietet den sich zum Teil bereits resignierend Linux auf ihren Amigas installierenden Anwendern völlig überraschend die Systeme, die sie sich bereits seit langem von Amiga Inc. erhoffen: echte Amigas mit up-to-dater Hardware (DVD, USB, PCI, AGP,…)! Zudem auch diverse Amiga-Software und Steckkarten (3D-Grafik, Sound). Außerdem verhandelt Iwin mit Tulip über die Rechte am Namen und Logo Commodore. Während Amiga Inc. also – wenn auch angepaßte – Linux-Boxen entwickelt, handelt es sich bei den Rechnern von Iwin (A510M/P, A1010M/P, A2010P) um echte “Classic-” Amigas mit wahlweise einem 68060- (M) oder PowerPC-Prozessor (P; 604 oder 750), auf denen AmigaOS läuft, welches auf Iwins PowerSE aufsetzt. Mehrere Angehörige von Iwin sind langjährige Amiganer, der Präsident Martin Steinbach besitzt drei Amigas (A500, A1000, A2000).

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