Amigaland

1999 – 2000 Amiga wechselt wieder Besitzer

1999 / 2000 - Amiga wechselt wieder Besitzer

26.Februar 1999
Das Amiga-Hauptquartier zieht um nach San Diego, Kalifornien. Die bisher selbständigen Gateway-Töchter Amiga Inc. (Research & Development, USA) und Amiga International Inc. (Sales & Marketing, Deutschland) werden nun zu einem einzigen Unternehmen zusammengefaßt, welches weiterhin hundertprozentige, aber selbständig operierende Tochterfirma von Gateway bleibt. Neuer Gesamt-Amiga-Chef wird Jim Collas, ehemaliger Senior Vice President von Gateway. Jeff Schindler und Petro Tyschtschenko bleiben in ihren bisherigen Positionen als Manager für Produkt-Strategie bzw. für Verkauf und Marketing. In Kürze wird zudem das Software-Entwicklungszentrum in San Jose, Kalifornien, unter der Leitung von Dr. Allan Havemose, Vice President of Engineering und Leiter der Betriebssystem-Entwicklung seit AmigaOS 2.1, seine Tätigkeit aufnehmen. Sein Silicon-Valley-Team wird in nächster Zeit rapide aufgestockt werden, um auf Grundlage des Echtzeit-Kernels Neutrino von QNX SSL das revolutionäre neue Betriebssystem AmigaOS 5.0 zu entwickeln.

12.März 1999
Auf der Amiga`99 in St. Louis hat die Amiga-Gemeinde erstmals die Möglichkeit, Jim Collas persönlich kennenzulernen – und alle sind sich einig: er ist der Mann, auf den wir gewartet haben. Er hinterläßt einen durchweg positiven Eindruck – und was das wichtigste ist: als ehemaliger Senior Vice President von Gateway steht nun jemand an der Spitze von Amiga, der auch alle Vollmachten hat; sein Wechsel zu Amiga ist auch äußeres Zeichen für den Umstand, daß seit Jahresbeginn nun endlich Gateway voll hinter den Plänen von Amiga Inc. steht.
News von der Amiga-Show: Die Entwicklung von OS 3.5 obliegt nun gänzlich der deutschen Amiga International Inc., die Ausführung leitet die Amiga-Software-Firma Haage&Partner. Als Erscheinungszeitraum wird August genannt, der Preis soll bei knapp hundert Mark liegen. Bei entsprechenden Verkaufszahlen des Updates ist eine weitere Fortsetzung der “Classic”-Linie möglich – offenbar auch hin zu neuen “PPC-only”-Rechnern. Dank des 68k-Emulators von Haage&Partner soll anscheinend eine schrittweise Portierung des originalen AmigaOS von Motorolas 680×0-Prozessoren zu deren PowerPC-Familie erfolgen. Entsprechend ist es gut möglich, daß die Welt künftig gleich zwei parallele Linien von Amiga-Systemen sehen wird. Denn auch die Entwicklung des neuen AmigaOS 5.0 schreitet voran, Amiga Inc. stellt nun viele neue Entwickler ein. Im September soll die Entwicklermaschine mit “AmigaSoft 4.0 Alpha” für Software-Entwickler erscheinen, damit zum Erscheinen der ersten Next-Generation-Amigas zum Jahresende 1999 bereits einiges an Software zur Verfügung steht. Die ersten AmigaNG-Rechner sollen Multimedia-Computer in der Tradition des Amiga 500 sein, Jim Collas sprach von 500-Dollar-Systemen mit der Leistung von 3000-Dollar-PCs. Als Betriebssystem kommt eine Beta-Version des AmigaOS 5.0 zum Einsatz, die endgültige Fassung soll im zweiten Quartal 2000 fertiggestellt sein.
Am 16.März wurde dann auch im Internet der Zusammenschluß der alten Amiga, Inc. aus South Dakota, USA, und der Marketing-Firma Amiga International, Inc. aus Langen, Deutschland, zur neuen Amiga, Inc. mit Hauptquartier in San Diego, Kalifornien, vollzogen – die Adressen www.amiga.com und www.amiga.de sind nun identisch, verantwortlich für die Gesamt-Amiga-Homepage zeichnet die deutsche Amiga International, Inc.

25.Juli 1999
Auf der “World of Amiga” in London legen Jim Collas und sein Team noch einmal ihre Strategie dar, wie sie einige Tage zuvor auch auf Amigas Website im “Technologie-Brief” vorgestellt wurde.
Demnach stellt künftig nicht, wie ursprünglich vorgesehen, QNX die Grundlage des neuen “Amiga Operating Environment”, sondern Linux. Der Grund für diesen Wechsel trotz der technologischen Überlegenheit und weit größeren philosophischen Nähe zum AmigaOS von QNX zu Linux ist rein marketingtechnisch zu sehen, nicht technisch.
Ein weiterer Grund könnte natürlich auch der neue Zentralprozessor sein. Trotzdem Amiga Inc. die CPU des neuen Amiga MCC (“Multimedia Convergence Computer”) noch immer nicht offiziell bekannt gegeben hat, weisen die kaum noch subtil zu nennenden Andeutungen doch klar auf die derzeit geheimnisumwittertste Prozessorfirma überhaupt: Transmeta. Der Chip von Transmeta ist insbesondere im Hinblick auf die Emulation fremden Codes legendenumwoben. Und zwar ist dieser VLIW-Prozessor in der Lage, fremde Instruktionssets zu übersetzen und in nativer Geschwindigkeit auszuführen. Als Beispiel wurde auf der WOA bei einer Präsentation gesagt, daß er z.B. einen Block von acht x86-Opcodes als bloß zwei eigene Instruktionen ausführt.
Unter anderem arbeitet für Transmeta auch der “Vater” des Betriebssystems Linux, Linus Torvalds. Angeblich ist er auch an den Anpassungen des Linux-Kernels für das neue AmigaOE beteiligt.
Der Amiga MCC soll zum Jahresende herauskommen. Das Gehäuse ist auf den ersten Blick videorekorderartig, schwarz, mit zwei der sieben USB-Ports vorne links, rechts dem Einschaltknopf und mittig zentriert schließlich oben das DVD-Laufwerk und darunter ein Schacht für optionale Laufwerke (weitere Daten siehe Technologie-Brief in der Rubrik “Executive Update” auf Amigas Website; in Kürze soll offenbar auch der URL www.amigamcc.com genutzt werden). Insgesamt wird ein Absatz an Amigageräten (also nicht bloß MCCs, sondern alle möglichen AmigaOE-fahrenden Produkte) für die nächsten 5 Jahre von 60 Millionen Geräten erwartet. Es werden parallel zum MCC auch reine Motherboards verkauft, sodaß Händler und Endkunden auch eigene Gerätekonfigurationen in Standard-PC-Gehäusen zusammenstellen können.
AmigaObjects soll auf einer weiten Reihe von Systemen laufen, von Computern bis zu DVD-Spielern, Stereo-Anlagen, Fernsehern, Palmtops, et cetera – und alles zusammen erscheint dann für den Anwender als ein einziges zusammenhängendes System.
Das OS soll nicht einfach eine weitere Linux-Distribution sein, bloß ein schmaler, angepaßter Linux-Kernel soll verwendet werden. Das Entwicklersystem aber, das ebenfalls zum Jahresende herauskommt, wird als eine komplette Linux-Distribution mit dem aufgesetzten AmigaOE erscheinen, damit die Entwickler auf existierende Linux-Entwicklertools zurückgreifen können.
AmigaOS 3.5 verzögert sich ein paar Wochen. Wenn es sich gut verkauft, wird es weitere Versionen geben – wenn nicht, wird 3.5 das allerletzte OS-Update für die Original-Amigas bleiben.
Im Vorfeld der WOA schließlich hat der Amiga-Zubehör-Entwickler Phase 5 bekanntgegeben, daß man das neue Neutrino-Betriebssystem von QNX SSL auf die aktuellen und kommenden PowerPC-Turbokarten für die bisherigen Amigas umsetzen wird und zugleich einen neuen Computer namens Amirage auf PPC-Basis und mit Neutrino als Betriebssystem angekündigt. Da dieses System weit eher dem “Amiga-Spirit” entspricht und das darstellt, was sich die Amiga-Gemeinde als Amiga der nächsten Generation erhofft hat, wurde diese Ankündigung von vielen Amiganern, die von Amigas geplanter “Linux-Box” enttäuscht sind, mit großer Begeisterung aufgenommen.

01. September 1999
Der Amiga-Fluch schlägt wieder zu – Jim Collas verläßt Amiga Incorporated, nachdem Microsoft Druck auf Amigas Mutterfirma Gateway ausgeübt und eine Kursänderung bewirkt hat. Eben aufgrund dieser Erpreßbarkeit der PC-Firma Gateway sowie auch den “Immunsystemen” solcher Unternehmen gegen alles “Artfremde”, hatte sich Jim Collas zuletzt bemüht, AI möglichst unabhängig von Gateway zu machen, am besten sogar dergestalt, daß Gateway nur noch eine Minderheitsbeteiligung gehabt hätte – leider zu spät…
Was es zu bedeuten hatte, wenn der Lotse Jim von Bord ging, war allen sofort klar, und ein Protesthagel regnete auf AI und Gateway herab, welcher sich noch intensivierte, als der neue Amiga-Präsident Thomas Schmidt am 14.09. in einem Executive Update die Befürchtungen bestätigte: Es wird von AI keinen Computer und kein OS mehr geben; was bleibt ist eine Java-Anwendung, die aber die substantiellen Schwächen der Betriebssysteme, für die sie erscheinen wird, auch nicht wird beseitigen können.
Aus der Einsicht heraus, daß sich die Amiga-Gemeinde nun selber wird helfen müssen, schließen sich namhafte Persönlichkeiten – darunter die Amiga-Gurus Carl Sassenrath und RJ Mical, sowie Wolf Dietrich von Phase 5, Dave Haynie von Metabox und Dan Dodge von QNX – zum “Phoenix Consortium” zusammen, um gemeinsam eine Zukunft für die Amiga-Gemeinde zu definieren.
Am 17.09. schließlich gibt Schmidt nach den wilden Proteststürmen der letzten Tage ein neues Executive Update heraus, in dem er anbietet, Lizenzen an das Phoenix Consortium oder andere Interessenten für neue Amiga-Computer und ein neues OS zu vergeben. Damit scheint die Zukunft des Amiga wieder einmal gerettet – vorerst.

18. Oktober 1999
Das neue AmigaOS 3.5 ist auf dem Markt.

31. Dezember 1999
Die beste Neujahrsbotschaft für alle Amiganer: Gateway hat eingewilligt, Amiga an die Amino Development Corporation von Ex-Amiga-Inc-Mitarbeiter Bill McEwen zu verkaufen – somit ist die Amiga wieder einmal dem Totengräber von der Schippe gesprungen, da Gateway offenkundig kein Interesse mehr an seiner Tochterfirma hatte, beziehungsweise alles, was Gateway wertvoll erschien, ins eigene Haus verlagert hat, namentlich die Strategien bezüglich der Internet Appliances und der “Amiga Objects”, welche nun sicherlich als “Gateway Objects” das Licht der Welt erblicken werden.

08. Januar 2000
Die neue Amiga Corporation, vormals Amino Development, gibt ihre Partnerschaft mit der Tao-Group bekannt, welche ein Realtime-OS ähnlich QNX entwickelt hat.

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