1985 - Premiere für Amiga
Januar 1985 CES. Ohne Amiga, aber mit Atari ST! Das Tramiel-Imperium schlug zurück! In Los Gatos gab es größere Probleme mit dem Betriebssystem. Wieder tauchte ein rettender Engel auf, diesmal von der anderen Seite des Atlantiks. Wie es auch immer dazu gekommen sein mag, die englische Firma MetaComCo
Der Legende nach soll diese Arbeit nur drei Wochen gedauert haben. Aber die Zahl »drei Wochen« taucht häufiger in der Entwicklungsgeschichte auf: so lange soll R.J. Mical jeweils an Intuition sowie an »GrafiCraft« gearbeitet haben. (»Er machte nur einmal die Tür seines Büros auf, nach etwa anderthalb Wochen, um mich zu fragen, wie die Messageports funktionieren. Nach weiteren anderthalb Wochen war Intuition fertig.« – Dale Luck). Wie auch immer – das Betriebssystem funktionierte. Inzwischen waren die Sonderchips-Ungetüme echte Chips und man konnte einige Prototypgeräte (Black Box Amigas) bauen, um damit auch interessierten Softwarefirmen die Arbeit an vorgesehenen Programmen zu erleichtern. Eine solche Firma, »A Squared«, war kurz nach der Übernahme erschienen und hatte ein neuartiges Zusatzgerät ins Gespräch gebracht: einen Echtzeit-Videodigitalisierer. Von Anfang an war der Amiga für verschiedene Videosignale ausgelegt worden: Als Spielekonsole sollte das Gerät an einem Fernseher laufen können, als Computer an einem Monitor. Alle Versuche, die erforderlichen Signale zu erzeugen, waren im Chipdesign gelandet und schon in einem frühen Stadium waren die experimentellen Versionen des Computers mit mehreren Bildschirmen verbunden. Sheryl Knowles erinnert sich: »Ich hatte drei Bildschirme an geschlossen – einen Fernseher, einen Farbmonitor und das Zweifarbending von IBM. Als wir die Fernsehsignale testen wollten, fuhr Sam (Dicker) zum Elektrohändler und sagte ‘Wir brauchen zehn Fernseher mit dem schlimmstmöglichen Bild.’ Der Händler war verblüfft und versuchte ständig, uns die teuersten und neuesten anzudrehen. Aber er hat es schließlich kapiert.« Sam fügt hinzu: »So sind wir auf die Farben für die Workbench gekommen.
Das waren die Farben, die im NTSC-Signal beim Wechsel von Vordergrund- zu Hintergrundfarbe nicht ineinander ausfransten.« Diese Signalvielfalt sowie die Einstellung der Bildfrequenz auf NTSC-Norm sollte den Amiga zum ersten Videobearbeitungsheimcomputer machen. Jetzt konnte er auch die vorgesehenen 4096 Farben darstellen: Anfangs waren nur etwa 320 Farbtöne zu erzeugen, aber die Hardwareleute bei Commodore hatten die Idee, die Signalschaltungen der ursprünglichen Chips auf einen eigenen Chip auszulagern und so wurde das Problem behoben. Mit dem Soundchip (vier Kanäle mit Stereoton) war die Hardware fertig. Der Amiga konnte Premiere feiern. Es ist der 23.Juli 1985. Die Firmenleitung von Commodore beschloß vorher, den Amiga nicht im Rahmen einer Heimelektronikmesse, sondern in einer eigenen Veranstaltung der Welt vorzustellen: im Licoln Center in New York
Eigentlich war ich aber für die drei Vorführgeräte zuständig, die im Sperrsitzbereich aufgebaut waren. Jedes war mit einem Genlock-Prototyp bestückt und durch diese Genlocks war alles miteinander verbunden. Zu dem Zeitpunkt gab es nur fünf Genlocks überhaupt, und wir hatten sie alle da – zwei als Ersatz. Nach der Generalprobe am Vorabend der Premiere habe ich noch bis 1.00 Uhr morgens mit einigen Technikern an der Feinabstimmung der Farben und Bilder auf den großen Projektionswänden gearbeitet. Als wir am Vormittag eine letzte Probe machten, waren zwei Genlocks kaputt! Da mußten wir mit Lötkolben und Meßgeräten ran, um alles wieder flottzumachen. Dann habe ich jemand ins Hotel geschickt, um meine Galakleidung zu holen – vor der Veranstaltung wollte ich die Geräte keine Sekunde aus den Augen lassen! Mein Job war aber verhältnismäßig einfach; ich brauchte mich ja nicht um Andy Warhol zu kümmern.«
Ja, Commodore hatte tatsächlich den großen Meister für diese Veranstaltung verpflichtet, und dazu die Sängerin Debbie Harry (Blondie).
Während ihres Auftritts mit Amiga-Begleitung wurde ihr Bild von Warhol in Echtzeit bearbeitet und projiziert. Die Zeitschrift Personal Computer machte daraus die Titelseite »Commodore’s Everything Machine«. Durch diese Demonstration wurden immer mehr Musiker auf den Amiga aufmerksam und haben ihn auch benutzt, darunter B.B. King, Herbie Hancock, Billy Idol, Todd Rungren und die Gruppe, die sich nach dem springenden Ball benannte, (Oingo) Boingo. Auch bei Prince-Videoclips wurde später ein Amiga im Hintergrund gesichtet. Andy Warhol hat nicht einfach mitgewirkt; er hat den Amiga selbst bis zu seinem Tod 1987 benutzt, und sagte dazu: »Das, was mir am meisten gefällt, wenn ich am Amiga arbeite, ist die Ähnlichkeit der Computerwerke mit meinem sonstigen Schaffen.« Der Knalleffekt war aber nicht Musik oder Grafik zu verdanken, sondern einem kleinen Programm, das aus dem Amiga einen IBM-XT machte: »Transformer«. Der Autor Bob Pariseau (Vice President Software) scherzte, während die Zuschauer auf das Einschaltbild von Lotus 1-2-3 warteten: »Das Laden dauert eben genauso lange wie auf einem echten IBM.« Aber dann war das Bild da – und der Amiga konnte wieder einen Ei
Die Reaktion der Computerpresse in Amerika, sofern sie nicht den Interessen der beiden Großen verpflichtet war, war ziemlich einhellig: Bewunderung und Begeisterung. »Wenn Sie geschichtlich interessiert sind, werden Sie sich dieses Datum merken wollen; mit diesem Tag gehörten die IBM PCs, Apple Macs und Dutzende geringerer Silikonwunder des Jahrzehnts der Vergangenheit an.« – Benn Dunnington, INFO Magazine, Sept/Okt 1985. Stellvertretend für viele, weitere Berichte, sei der von Tom Benford in der Zeitschrift Ahoy erwähnt: »Obwohl ich durch die Teilnahme an der Einführung mehrerer revolutionärer Computertypen ziemlich abgestumpft bin, empfand ich bei der Amiga-Vorführung echte Aufregung. Je mehr ich zu sehen bekam, umso mehr kribbelte es in mir. Je mehr man uns vorführte, umso mehr gefiel er uns. In puncto Musik und Schallsynthese ist der Amiga eine Klasse für sich. Eine weitere Innovation war die Verwendung einer Kickstart-Diskette. Eine beeindruckende Vorführung der Multitaskingfähigkeit bestand darin, gleichzeitig Textverarbeitung, Datensortierung, Animation, Geschäftsgrafik und Tabellenkalkulation in eigenen Fenstern laufen zu lassen. Der Amiga hat ohne Zweifel bei den Personal Computern Neuland eröffnet. Die Zusatzgeräte bieten die Möglichkeit, die Ketten zu sprengen, die Computer und deren Benutzer bisher in der Kreativität behindert haben. Auf den Amiga hat die Welt – und auch ich – lange gewartet.« Warten mußten Kaufinteressenten auch noch – bis Anfang September, weil Commodore noch Software für den neuen Computer brauchte.
Es waren zwar Programme für die Premiere vorhanden, aber einige waren noch nicht richtig marktreif. Abweichend von den ursprünglichen Plänen der Amiga Inc., das Gerät mit Software als Komplettpaket auszuliefern, legte Commodore den ersten Geräten lediglich das Textverarbeitungsprogramm »Text Craft«, das Spiel »Mindwalker«,
Da war die Rede von Amiga II Amiga IV und Amiga V (seltsamerweise war nie von Amiga III die Rede!). Die Bezeichnung »Ranger« tauchte auf: Das sollte ein Modell mit 68020-CPU, 400 Zeilen ohne Interlace und eingebauter Festplatte sein. Ein Dementi ließ etwas auf sich warten, kam aber doch: Ranger sei lediglich ein Sammelbegriff für die gesamte Amiga Palette, die für die kommenden Jahre vorgesehen sei. Die ersten Mitglieder der Los-Gatos-Gruppe, darunter R.J. Mical und Carl Sassenrath, verließen um diese Zeit Commodore.