Amigaland

1984 Finanzierer gesucht

1984 - Finanzierer gesucht

Januar 1984 Auf der CES wird Lorraine hinter verschlossenen Türen potentiellen Finanzgebern vorgeführt. Zu den namhaften Firmen, die dazu eingeladen wurden, sollen gehört haben: Sony, Hewlett Packard, Philips und auch Apple. Noch bestand die Maschine aus Experimentierplatinen, und die waren gegen statische Aufladung sehr empfindlich. In der firmeneigenen Softwarehöhle, der 10 x 6 Meter messende Raum, in dem herumexperimentiert wurde, mußten die Entwickler zeitweilig barfuß gehen, um Aufladungen zu vermeiden. Auf einer Messe wie der CES war das kaum möglich, also knallten die Chips häufig durch.

Da der Fehler immer bei einer bestimmtem Chip-Gruppe auftrat, war es eine Kleinigkeit, ihn zu beheben und die Geschwindigkeit, mit der das geschah, beeindruckte manchen Besucher. R.J. erinnert sich an die häufigste Reaktion dieser Besucher, als ihnen die Fähigkeiten des neuen Computers vorgeführt wurden: »Sie sagten meistens: Entschuldigen Sie bitte mein Französisch, ‘Oh shit!’ (Ursache solcher unflätigen Äußerungen war das berühmte BOING!-Demo mit dem springenden und rotierenden rotweißkarierten Ball und dem satten Stereosound). So was hatten sie noch nie gesehen.« Kein Wunder, denn an diesem Demo hatten R.J. und Dale noch nachts in der geschlossenen Messehalle gefeilt. Lange suchten sie den richtigen Aufprallsound, bis es Bob Pariseau und Stan Shepard in den Kopf kam, den Hall eines geschlagenen Garagentors aus Aluminium innerhalb der Garage aufzunehmen. Seitdem gilt der springende karierte Ball unter den Entwicklern als inoffizielles Amiga-Markenzeichen (Commodore wählte statt dessen das mehrfarbige »Häkchen«).

Das Interesse am neuen Computer war groß, die erhoffte finanzielle Unterstützung aber kaum vorhanden. Mit jedem Monat wurde die Finanzkrise immer größer. Jay Miner nahm eine Hypothek auf sein Haus auf; jeder, der dazu in der Lage war, tat gleiches. Jays ehemaliger Arbeitgeber Atari kam mit einem »verlorenen Darlehen« in Höhe von $500.000 zu Hilfe: Die Rückzahlung sollte mit den von Atari zu entrichtenden Lizenzgebühren für die Verwendung der Sonderchips verrechnet werden. Später soll Commodore mit einem kleineren Darlehen für Lohnkosten auch ausgeholfen haben. Aber es wurde immer brenzliger, und schließlich mußte an den Verkauf der Firma gedacht werden. Im Herbst 1984 war es soweit. Als Kaufinteressent tauchte Jack Tramiel auf, der Gründer von Commodore Business Machines. Anfang des Jahres war er nach einem lange schwelenden Streit mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Irving Gould als Chef seiner eigenhändig aufgebauten Firma gefeuert worden. Nach Rache lechzend, wie es die amerikanische Computerpresse damals schilderte, kaufte er die marode ehemalige Konkurrenzfirma Atari auf und suchte nach Wegen, Commodore eins auszuwischen. Die Schwierigkeiten bei Amiga Inc. eröffneten ihm einen solchen Weg. Das Atari-Darlehen war vor seinem Firmeneintritt erfolgt, aber er wußte davon. Und er wußte auch, daß er nur bis zum Fälligkeitsdatum des Darlehens warten mußte, um die Firma einfach übernehmen zu können. Also hat er die Übernahmeverhandlungen als böses Katz-und-Maus-Spiel betrieben. David Morse wollte 2 Dollar pro Anteil haben: Tramiel bot 1 Dollar. Morse ging auf 1,75 Dollar runter: statt sein Angebot zu erhöhen, ging Tramiel runter! Bei jedem neuen Angebot dasselbe. Die Amiga-Mannschaft war empört! Was waren das für Verhandlungsmethoden? Nur wenige Tage vor dem endgültigen Aus erschien die Rettung in Gestalt eines Angebots von Commodore. David Morse flog zur Ostküste, um mit Commodore zu verhandeln. Drei Tage ging es laut R.J. hin und her, bis Commodore ein letztes Angebot machte: 4 Dollar pro Anteil. David Morse nahm Rücksprache mit Los Gatos und alle waren dafür, das Angebot anzunehmen. Sie hatten zwar einiges mehr erhofft, aber sie wollten auf keinen Fall, daß ihre Arbeit von Tramiel in Gewinn umgemünzt werden sollte.

Morse sagte den Commodorevertretern mit todernster Miene dennoch: »Meine Leute wollen mindestens 4,25 Dollar.« Auf Drängen von Marshall Smith erklärte sich Irving Gould schließlich mit dieser Forderung einverstanden! Mit einem Scheck über die Darlehenssumme flog Morse sofort zurück und befreite die Firma von dem Tramielschreck. Das, was allen bei Amiga Inc. gefiel, war die Tatsache, daß Commodore – anders als Tramiel – nicht nur die Technologie, sondern auch die Leute und deren »Mannschaftsgeist« übernehmen wollte. Diesen »team spirit« erläuterte Caryn Havis-Mical: »Wir waren wie eine Familie. Jeder hat den anderen geholfen, weil wir es nicht zulassen konnten, daß jemand Mißerfolg hatte. Das hätte für alle zum Mißerfolg geführt. Wir waren schließlich alle Teilhaber an der Firma.« Und als solche haben sie ihre Amiga-Inc.-Aktien gegen Commodore Aktien tauschen können. Einige machten diese sofort zu Bargeld, um die aufgenommenen Verpflichtungen zu begleichen. Andere, wie Dale Luck, behielten sie, um die Chance zu erhalten, auf Teilhaberversammlungen ihre Meinung dem Aufsichtsrat mitteilen zu können. Die Übernahme kostete Commodore insgesamt 27,1 Millionen Dollar. Dann wurde schnell auch die Aufrüstung der Entwickler vorgenommen: Die alten, langsamen SAGE-Minicomputer wurden durch SUNs ersetzt.

Jetzt galt es, einen marktreifen Computer möglichst bald fertigzustellen, denn Jack Tramiel hatte zum Angriff geblasen. Er leitete gegen die neue Firma Commodore-Amiga einen Prozeß ein, in der Hoffnung, doch noch an die wunderbaren Sonderchips zu kommen und wies seinen Hauptdesigner Shiraz Shivji, der auch den C 64 entworfen hatte, an, einen Konkurrenzcomputer zum Amiga zu entwickeln. Commodore erwiderte mit einer Gegenklage: Tramiel hätte führende Entwickler und Ingenieure bei Commodore abgeworben. Damit war der große Atari-Amiga-Kampf eingeleitet. Durch die Übernahmeverhandlungen und die Umstellung wurde die Entwicklung verzögert. Es war schon zu spät, um den Computer für das lukrative Weihnachtsgeschäft 1984 fertigzustellen. Und Commodore hatte auch Änderungswünsche.

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